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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Lacour
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ist alles vorbei.
    Die Menge packt ihre Sachen zusammen und löst sich auf.
    »Warst du die ganze Zeit hier?«, fragt Jayson.
    Ich nicke. »Und du?«
    »Fast.«
    Bald sind alle gegangen, außer Jayson und mir.
    »Ich gehe jetzt laufen«, sagt er und steht auf.
    Ich schaue auf das leere Grundstück. Kaum zu glauben, dass hier eben noch ein Kino gestanden hat.
    »Ich bleib noch ein bisschen.«
    Jayson sagt: »Bis nachher, bei dir«, und joggt davon.
    Ich sehe den Männern beim Arbeiten zu. Sie schaufeln Holz auf einen Lastwagen, Kupferrohre auf einen anderen. Sie knacken den Beton des Fundaments und karren alles weg. Ich packe mein Frühstück aus und esse, während sie arbeiten. Es sind seit meinem Müsli mittlerweile Stunden vergangen, aber bis jetzt hatte ich keinen Hunger. Gegen vier Uhr nachmittags kommt ein Mann und macht das Absperrband ab.
    »Die Vorstellung ist zu Ende.« Er lächelt und knüllt das Band zusammen. Seine Augen sind freundlich.
    »War das dein erster Abriss?«
    »Ja.«
    »Und wie …« Er zeigt auf das leere Grundstück. »Also, wie hat es dir gefallen?«
    Ich weiß nicht so richtig, was ich sagen soll, und will ihm das sagen. Aber was rauskommt ist: »Es war toll.«
    Ich meine das wirklich.
    »Wahnsinn, oder? Ich mach das jetzt schon seit zwanzig Jahren, und es gibt mir immer noch einen Kick.«
    Ich weiß genau, was für einen Eindruck ich auf ihn mache – ein Teenager, der sich grundlos hier rumdrückt.
    Ich ziehe die Knie an meine Brust, blinzele hoch zu ihm und schirme meine Augen gegen die Sonne ab.
    »Das Kino war irgendwie was Besonderes«, sage ich langsam.
    Er nickt und wendet sich der leeren Fläche zu, als würde er da als Luftprojektion sehen, woran ich denke.

6
    Am Abend vor Ingrids Tod lernten wir halbherzig für unsere Biologie-Klausur. Wir hockten auf dem Fußboden in meinem Zimmer. Immer wieder wurden wir abgelenkt, sagten:
Das Lied mag ich
, wann immer was Gutes im Radio kam, drehten es lauter und vergaßen unsere Schulbücher vor uns auf der Erde.
    Ingrid sagte: »Fuck Bio. Lass uns lieber unsere Zukunft planen«, und ihre Stimme klang drängend und hatte eine gezwungene Leichtigkeit, die ich aber nur mit halbem Ohr wahrnahm.
    Ich klappte mein Buch zu und sagte: »Okay, du fängst an.«
    »
Du
fängst an.«
    Ich legte mich auf den Rücken und sah zur Zimmerdecke hoch. »Ich will aufs College gehen. Aber nicht hier. Weit weg.«
    »Zum Beispiel an der Ostküste?«
    »Oder in Oregon oder Montana.«
    »Willst du Schnee oder Meer?«
    »In Montana gibt es einen Gletscher. Ich hab gehört, dass die Gletscher schmelzen. Die sind weg, wenn wir alt sind.«
    »Also Schnee?«
    »Ich weiß nicht. Die Küste von Oregon soll unglaublich schön sein.«
    »Also Meer?«
    »Weiß nicht. Ich kann mich nicht entscheiden.«
    »Was nimmst du als Hauptfach?«
    Ich sagte: »Keine Ahnung.«
    Sie sagte: »Du magst doch Englisch, nicht wahr?«
    »Schon. Aber weil ich einfach gern lese.«
    Sie sagte: »Na gut, du magst Kunst.«
    »Ja. Ich mag Kunst.«
    »Also Kunst.«
    »Okay.«
    »Vielleicht hängen deine Arbeiten irgendwann in einer Galerie?«
    »Oder ich besuche ganz viele Museen.«
    »Du wirst genial sein«, sagte Ingrid. »Vielleicht wirst du Professorin oder so was werden, und alle Studenten werden sich in dich verknallen.«
    Ich lächelte und drehte mich zu ihr um. »Und was ist mit dir?«
    Sie zuckte die Achseln. »Weißt du doch. Ich werde fotografieren, reisen.«
    »Aber was ist mit dem College?«
    Während ich auf ihre Antwort wartete, sah ich sie an. Falls es einen Zweifel in ihrem Gesicht gab, sah ich ihn nicht.
    Schließlich sagte sie: »Ich werde immer da sein, wo du auch bist.«
    Ich gab dem Buch auf ihrem Schoß einen Klaps. »Falls wir
überhaupt
von einem College genommen werden.«
    Als sie lachte, lachte ich auch, ich hörte ihr kaum zu und dachte nie:
Das ist das letzte Mal, dass ich dich lachen höre.
    »Das klappt schon. Es wird super. Du wirst super sein.«
    Und als sie dann aufstand, um zu gehen, habe ich wohl kurz weggeschaut, und sie muss ihr Tagebuch unter mein Bett geschoben haben, und ich habe an irgendwas Unwichtiges gedacht, ohne zu ahnen, was kommen würde.

7
    Ich bleibe noch lange sitzen. Der Absperrband-Mann geht und auch alle anderen Arbeiter. Übrig bleiben nur noch Licht und Staub und eine leere Straße. Es ist nicht das Happy End, von dem Ingrid und ich geträumt haben, aber es gehört zu dem, durch das ich mich durchwurstele. Zu den Veränderungen im Leben. Wie

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