Idol
sehr, daß sie ihr das Lesen beigebracht hat.
Ich gehe auf Caterina zu und gebe ihr zwei kräftige Ohrfeigen. Dann packe ich sie an den Schultern, schüttele sie und brülle
sie an:
»Wer bezahlt dich dafür, daß du Vittoria nachspionierst?«
Eine rhetorische Frage, denn ich bin überzeugt, Caterina hat nur aus Neugier an der Tür gelauscht, diese Neugier – oder Identifizierung
mit der Herrin – findet man häufig bei Kammermädchen.
Ihre Antwort überrascht mich.
»Der Kardinal bezahlt mich doch nicht«, sagt sie und beginnt zu weinen. »Er ist aus Grottammare, und ich habe Angst, meinen
Eltern zu schaden, wenn ich ihm nicht gehorche.«
Ich kehre ihr den Rücken, um meine Verblüffung zu verbergen, und gehe zu einem kleinen Tisch, auf dem ein fünfarmiger Leuchter
steht; ich schlage Feuer und brenne alle fünf Kerzen an. Neben dem Tisch steht ein niedriger Schemel, dorthin soll Caterina
auf mein Geheiß sich setzen. Eigenartigerweise scheint dieses Zeremoniell sie mehr zu beeindrucken als meine Ohrfeigen.
»Antworte! Wie läßt du dem Kardinal deine Berichte zukommen?«
»Indirekt. Ich beichte Pfarrer Racasi.«
»Oft?«
»Einmal in der Woche. Seit dem 19. März zweimal.« Obwohl ich dieses Datum zum ersten Mal höre, zeige ich mich nicht überrascht.
»Erzähl mir genau, was am 19. März passiert ist.«
|103| »Eigentlich nicht viel«, sagt Caterina. »Der Zufall wollte, daß Vittoria an jenem Tag dem Fürsten Orsini begegnet ist, als
sie sich vom Kardinal verabschiedete. Sie war davon sehr bewegt.«
»Woher weißt du das?« frage ich. »Hat sie dir ihre Empfindungen anvertraut?«
»Eben nicht«, entgegnet Caterina lebhaft, »kein Wort hat sie gesagt. Normalerweise sagt sie mir alles. Aber ich sehe ja, wie
sie seitdem ist.«
»Wie ist sie denn?«
»Sie lebt wie im Traum.«
Wenn schon Vittoria sich in einer solchen Verfassung befindet, kann man sich leicht vorstellen, wie diese Begegnung auf den
Fürsten gewirkt haben muß. Alles wird klar, auch der Belagerungszustand, in dem wir im Palazzo Rusticucci leben. Der Kardinal
befürchtet offenbar, Orsini werde Vittoria entführen.
Nach kurzem Schweigen fahre ich fort:
»Jetzt hör gut zu, Caterina. Du wirst Pfarrer Racasi in deiner Beichte ab sofort nur noch berichten, was ich dir zu sagen
erlaube.«
Sie antwortet ohne Zögern und bewegt sich mit dem ganzen Körper auf mich zu:
»Ich will alles tun, was Ihr wollt, Signor Accoramboni.«
»Erzählst du Pfarrer Racasi von deinen Galanen?« frage ich weiter.
»Natürlich«, gesteht sie und schlägt die Augen nieder, »ich lasse meine Todsünden nicht aus. Ich bin eine gute Katholikin.«
»Fragt dich Pfarrer Racasi nach den Namen?«
»Nein, nie. Er will nur wissen, wie oft ich gesündigt habe.«
»Wie viele Galane hast du?«
»Zwei«, gibt sie leicht verschämt zu (ob echt oder gespielt, wüßte ich nicht zu sagen).
»Ab heute hast du nur noch einen!«
»Welchen der beiden soll ich aufgeben?« fragt sie eifrig.
»Alle beide.«
Sie schaut mich an. Sie ist mit Freuden bereit, mir zu gehorchen, wagt aber ihren Ohren noch nicht zu trauen. Ich bedeute
ihr aufzustehen, strecke meine Hand aus und tippe mit dem Zeigefinger auf die beiden offenen Knöpfe ihres Leibchens.
»Möchtest du wissen, wer dein einziger Liebhaber sein wird?«
|104| »Ja«, sagt sie und zittert am ganzen Körper.
»Du wirst es wissen, wenn du beendest, was du in meiner Abwesenheit so hübsch begonnen hast.«
Sie zögert noch, dann aber, nachdem sie den dritten Knopf aufgemacht hat, ohne an mir das kleinste Zeichen von Mißbilligung
zu bemerken, entkleidet sie sich weiter, mit natürlicher Anmut und einem Mienenspiel, das weit weniger natürlich ist. Seltsamerweise
errötet sie nicht im Gesicht, sondern an Hals und Dekolleté.
Sowie sie völlig nackt ist, nehme ich sie an der Hand und führe sie zu meinem Bett, wo ich sie mit einer Handbewegung zum
Sitzen auffordere. Ich bleibe vor ihr stehen und mustere sie. Sie schweigt, denn sie hat immer noch ein wenig Angst vor mir,
doch der Blick ihrer großen, glänzenden schwarzen Augen spricht Bände. Was sind die Frauen seltsam! Wie erklärt man sich ihre
völlige Unterwerfung unter den Geliebten, die sie Liebe nennen? Diese merkwürdigen Lebewesen ziehen mich an und stoßen mich
gleichzeitig ab. Ich weiß nicht warum, doch ich spüre in mir immer eine große Lust, sie zu bestrafen. Manchmal sage ich mir:
›Du bist verrückt, Marcello! Was soll
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