Idol
meinen Degen halb aus der Scheide.
»Keinen Streit hier, meine Herren! In dieser Spelunke!« sagt der andere Edelmann.
Er erhebt sich, legt Lodovico seinen starken Arm um die Schultern und drückt ihn kräftig an sich. Diese Geste ist nicht zu
mißdeuten: sie ist liebevoll, lähmt aber zugleich meinen Gegner. Ich stecke meine Klinge zurück und warte. Wenn ich mich recht
entsinne, ist dieser Lodovico der Bruder von Raimondo, und alle beide sind trotz ihrer hohen Geburt so etwas wie Edelbriganten.
Entweder ist dieser Lodovico verteufelt streitsüchtig, oder er trägt mir nach, daß sein Bruder durch mich Caterinas Gunst
verloren hat.
»Komm,
carissimo «
, sagt der Edelmann, »beruhige dich. |109| Signor Accoramboni glaubt sonst, wir hätten ihn in einen Hinterhalt gelockt.«
Und er nimmt seinen Arm und zwingt ihn, sich an den Tisch vorm Fenster zu setzen. Lodovico bleibt da sitzen, gespannt nach
vorn gebeugt, die Hände um die Kante des Eichentischs gekrallt, und schleudert mir Blicke zu, als wolle er mich töten, doch
ich tue so, als bemerke ich sie nicht.
Der andere Edelmann tritt vor mich hin, nimmt die Maske ab und sagt:
»Ich bin Fürst Orsini.«
Diesmal hat es seine Richtigkeit. Wer ihn auch nur einmal gesehen hat, kann ihn nicht mehr vergessen. Nicht, daß der Fürst
sehr groß wäre, er überragt mich nur um Daumesbreite, doch er ist sehr kräftig gebaut, hat breite Schultern und einen gewölbten
Brustkorb, und sein Beinkleid modelliert die muskulösen Beine. Er hat ein schönes Gesicht, ausdrucksvolle, regelmäßige Züge,
einen genießerischen Mund und große leuchtende Augen sowie rotblonde kurze Locken, wie man sie auf römischen Münzen sehen
kann. Sein Gesicht drückt Stolz und Autorität, aber auch Höflichkeit und Feingefühl aus.
Ich bin von ihm eingenommen oder wäre es, hätte er nicht Lodovico als sich selbst ausgegeben: eine List, die ich ihm übelnehme.
Wollte der Fürst prüfen, aus was für einem Holz ich geschnitzt bin, ob ich flexibel und unterwürfig genug wäre, seine Wünsche
zu erfüllen? In dem Falle dürfte ihn mein Auftreten sicherlich eines Besseren belehrt haben.
Davon merkt man allerdings nichts. Er betrachtet mich wortlos, und je länger er mich mit Blicken mißt, um so mehr scheint
er Gründe zu finden, mich zu lieben. Doch mir ist sofort klar: nicht meine Person wirkt so anziehend auf ihn, sondern meine
Ähnlichkeit mit Vittoria.
»Signor Accoramboni«, sagt der Fürst mit ausgesuchter Höflichkeit, »verzeiht, daß ich Euch hierherkommen ließ. Wenn es Euch
recht ist, möchte ich Euch einen Vorschlag machen.«
»Euer Durchlaucht«, antworte ich mit einer Verbeugung, »mit größtem Interesse und größtem Respekt werde ich die ehrenvollen
Vorschläge zur Kenntnis nehmen, die Eure Hoheit mir machen wollen.«
Der Fürst muß sehr viel Selbstbeherrschung haben, denn man sieht ihm kaum an, daß ihm das Wort »ehrenvoll« nicht |110| paßt. Habe ich ihm dadurch nicht klar zu verstehen gegeben, daß er nicht auf mich zählen könnte, falls seine Vorschläge nicht
ehrenvoll wären?
Er fährt fort:
»Man hat mir berichtet, daß Ihr lesen und schreiben könnt und Latein gelernt habt, Signor Accoramboni.«
»Latein habe ich schneller vergessen, als ich es gelernt habe, Durchlaucht. Aber mit dem Lesen und Schreiben hat es seine
Richtigkeit, obwohl ich kein Schriftgelehrter bin.«
»Ein Schriftgelehrter wäre mir auch gar nicht recht«, sagt der Fürst lächelnd. »So einen hatte ich zum Sekretär. Aber dieser
Unglücksrabe hat mich verlassen, um Priester zu werden. Könnte es Euch gefallen, sein Nachfolger zu werden?«
Ich bin einen Moment sprachlos, so sehr überrumpelt mich der von einer so hohen Persönlichkeit mit so viel Wohlwollen mir
angetragene Vorschlag.
»Das wäre gewiß eine große Ehre für mich, Durchlaucht«, antworte ich mit einer Verbeugung, »doch ich sehe da Schwierigkeiten.«
»Welche?« fragt der Fürst mit einem leichten Anflug von Ungeduld.
»Als Sekretär Eurer Hoheit hätte ich doch wohl eine Vorrangstellung unter dem Personal Eures Hauses?«
»Selbstverständlich.«
»Zu diesem Personal gehören viele Schwäger und Verwandte von sehr altem Adel, habe ich sagen hören.«
»Das stimmt.«
»Dann sehe ich nicht, wie diese temperamentvollen Edelleute die Anwesenheit eines Mannes akzeptieren könnten, dessen Adel
– wie der meine – neu ist und angezweifelt wird.«
Das spreche ich mit Stolz und
Weitere Kostenlose Bücher