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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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erschreckendes Unterfangen, das aber für mich, während ich im Kerzenlicht Vittorias Ring am kleinen Finger drehte, etwas
     Berauschendes hatte. Ich, der Taugenichts, der Schnapphahn, der Mörder Recanatis, der Zuhälter der Sorghini, ich fühlte, daß
     diese winzig kleine Schützenhilfe, die ich bei dem Ereignis geben wollte – einzig und allein mit dem Ziel, Vittoria glücklich
     werden zu lassen –, den Staat ins Wanken bringen würde.
    Am nächsten Tag fand ich mich zur gewohnten Stunde in Montegiordano ein. Der Majordomus führte mich sogleich in die Privatgemächer
     des Fürsten und erzählte mir im Vertrauen, sein Herr sei sehr zeitig mit kleinem Gefolge in die Römische Campagna ausgeritten.
     Ich begriff, daß sich Orsini durch diesen Spazierritt über seine Ungeduld, welche Nachrichten ich ihm diesen Morgen bringen
     würde, hinweghelfen wollte. So kam es, daß er, statt auf mich zu warten, lieber mich warten ließ: eine der kleinen politischen
     Listen, durch welche die Großen dieser Welt uns weismachen wollen, sie seien wirklich so groß, wie sie behaupten.
    Ich trat an ein sonnenbeschienenes Fenster, das auf den großen Hof von Montegiordano ging, wo in erstaunlicher Unordnung jener
     große Haufe kampierte – Verbannte, Vertriebene, Flüchtlinge aus den päpstlichen Kerkern, von der Corte verfolgte Briganten
     –, dem Orsini Asyl gewährte und Obdach und Verpflegung gab, um seine Macht gegenüber dem Papst zu untermauern.
    Plötzlich wurde das große Tor geöffnet, und der Fürst galoppierte an der Spitze seines Gefolges in den gewölbten Gang, der
     in den Hof mündete; ohne sein Pferd zu zügeln, sprengte Orsini über den Hof, wobei die Menge in unbeschreiblichem Gedränge
     nach beiden Seiten vor ihm zurückwich und ihm zujauchzte wie einem in sein Reich heimkehrenden König. Der Fürst saß am Fuße
     des Turmes ab, von dessen Höhe aus ich ihn beobachtete, und ich hörte, wie er mit seinem schweren, energischen Schritt die
     Steintreppe zu seinen Gemächern emporhinkte. Ein Page riß eilfertig die Tür vor ihm auf, und er kam auf mich zu in seinem
     ausgreifenden Gang und mit dieser typischen Schulterbewegung, die immer so wirkte, als wolle er damit sein aggressives Voranstürmen
     noch beschleunigen. Sein Römerkopf, dessen rotblonde Locken ihm das Aussehen einer |126| lebenden Statue verliehen, war von der Sonne beschienen, die durch das Fenster einfiel, vor dem ich unbeweglich stand. Er
     heftete seine blauen Augen auf mich und fragte, noch ganz atemlos von seinem Ritt:
    »Und?«
    Wortlos zog ich Vittorias Ring aus dem Wams und hielt ihn ihm hin. Er nahm ihn erstaunt, drehte ihn hin und her, bis er endlich
     das diamantene V entdeckte; da erbleichte er so sehr, daß ich fürchtete, er würde in Ohnmacht fallen, und blieb stumm mit
     halboffenem Mund, nur seine Augen funkelten von dem Glücksgefühl, das ihn durchströmte. Als ich merkte, daß er seine Frage
     nicht artikulieren konnte, weil ihm die Stimme nicht gehorchte, wiederholte ich, was Vittoria gesagt hatte, wobei ich nur
     ein Wort ergänzte:
    »Durchlaucht, es gibt keine
andere
Antwort.«

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    |127| KAPITEL V
    Pfarrer Racasi:
     
    Jeden Freitag begebe ich mich mit meinem Zweiten Vikar in den Palazzo Rusticucci, um den Damen Camilla Peretti, Tarquinia
     Accoramboni und Vittoria Peretti sowie der Kammerzofe Caterina Acquaviva die Beichte abzunehmen. Alle übrigen Bewohner des
     Palazzo beichten bei meinem Zweiten Vikar. Seitdem Francesco Peretti – vermutlich auf Anraten des Kardinals – eine so strenge
     Klausur über sein Haus verhängt hat, nehme ich meinen Ersten Vikar mit, um auch Francesco und Flamineo die Beichte zu ermöglichen.
     Marcello ist freitags nie da, beichtet aber laut Tarquinia bei einem Bettelmönch, der bei der Witwe Sorghini ein und aus geht.
    Am nächsten Tag habe ich stets die Ehre, bei Kardinal Montalto, dem ich sehr verpflichtet bin, beichten zu dürfen; und bei
     dieser Gelegenheit unterbreite ich ihm die heiklen Probleme, vor die mich die Sorge um die mir anvertrauten Seelen mitunter
     stellt. Seine Eminenz hört mich immer sehr aufmerksam an, und ich bewundere, mit welchem Scharfblick und welcher Subtilität
     es ihm gelingt, mir aus meinen Schwierigkeiten herauszuhelfen.
    Der Kardinal steht in dem Ruf, finster, ja hart zu sein, doch zu mir ist er allezeit außerordentlich milde gewesen. Es gibt
     zwar einen Beichtstuhl in der Hauskapelle neben seinem Arbeitszimmer, doch dessen Benutzung ist

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