Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
nächsten Morgen betrat Roderick König Effèlans Quartier und fand seinen alten Freund mit Andamar und einem anderen Ashjafal in eine hitzige Debatte verstrickt vor.
Offenbar hatte sich ein Vorfall an der Grenzmauer zu Eshkash ereignet, der die gesamte Führerschaft der Magischen Ritter in Hysterie versetzte.
Roderick räusperte sich lautstark, und Effèlan wandte ihm einen missmutigen Blick zu.
„Ich muss dich unbedingt sprechen“, erklärte der alternde Ritter und hob dabei kaum die Stimme. Andamar musterte ihn herablassend.
„Wir sollten sofort die Truppen zusammenziehen“, sagte er. „Zumindest die, die Ihr in Effèlan behalten habt. Ich fürchte, es wird noch vor der Abenddämmerung zu einem Angriff kommen.“
Effèlan holte tief Luft und blickte aus der offenen Seitenfront seines Gemachs zu den Grenztürmen hinunter. Im fahlen Morgenlicht war eine weit entfernte, hellrote Flagge zu erkennen, die im heftigen Nordwind tanzte.
Roderick wusste, dass das kein gutes Zeichen war. Er spürte die Anspannung der im Raum befindlichen Männer. Er wusste, was heute geschehen würde. Deshalb war er gestern von seiner Reise hierher zurückgekehrt.
„Lasst mich und Roderick einen Moment allein“, sagte der König und trat zu den mit Ornamenten verzierten Säulen vor der Galerie.
Die Ashjafal warfen sich gegenseitig fragende Blicke zu, räumten dann aber widerstandslos das Feld.
„Er weiß es“, kam Roderick ohne Umschweife zum Thema, als er und der König unter sich waren.
Effèlan wandte ihm sein Gesicht zu und sah ihn mit kritischem Blick an.
„Wovon redest du überhaupt?“
„Von Miray. Ich habe ihn gerade unten in der Bibliothek getroffen. Er ist schon den ganzen Morgen dort. Er weiß Bescheid über Nyasinta und ihr Geheimnis.“
Der König schwieg einen Moment und starrte auf die rote Signalflagge am Horizont.
„Du konntest es nicht für immer vor ihm geheim halten, das war uns doch klar. Oder hast du gedacht, Nyasinta hätte dieses Geheimnis mit in ihr Grab genommen?“
„Ich weiß nicht genau, was ich gedacht habe ...“
„Du musst mit ihm reden!“
„Ja, denkst du denn, er hört mir zu?“
„Du kannst ihn mit der Wahrheit nicht einfach allein lassen. Wenn du nicht aufpasst, verlierst du ihn, und dann war alles umsonst.“
„Es war genauso deine Idee“, hielt Effèlan dagegen. „Du bist schon immer besser mit ihm zurechtgekommen als ich. Rede du mit ihm.“
„Das habe ich schon. Aber was kann ich ihm sagen? Er ist jetzt ein erwachsener Mann, er braucht einen triftigen Grund, um bei dir zu bleiben.“
„Er war schon immer schwierig“, räumte der König ein. „Schon als kleines Kind. Was hat er nicht ständig gebrüllt und so empfindsam. Ich konnte ihm nie in seine Vorstellungen und Phantasien folgen. Er sitzt da oben, in einer Art Elfenbeinturm, und alles, was um ihn herum geschieht, interessiert ihn nicht. Er ist kein Krieger und kein Herrscher. Vielleicht ist es ganz gut, wenn er geht ...“
„Das ist nicht dein Ernst“, behauptete Roderick beinahe entsetzt. „Ich weiß das, und du weißt das auch. Er hat dir von Anfang an eine Menge bedeutet. Das habe ich gesehen. Du hättest es ihm hin und wieder zeigen sollen. Jetzt wird es schwierig, ihm das verständlich zu machen. Wenn du ihn verlierst, verlierst du ihn mit Sicherheit nicht auf Grund von Nyasintas Geheimnis.“
Effèlan fuhr wutentbrannt zu dem alten Ritter herum. „Ich habe alles für ihn getan. Ich habe ihm ein Leben ermöglicht, wie es kein anderer hat. Ich habe ihm jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Er kann mir nicht vorwerfen, dass er je etwas entbehren musste.“
Roderick blickte seinen Freund betroffen an.
„Ich kenne Miray besser als du“, behauptete er. „Ich habe ihn oft gefunden. Im Garten oder im Stall, bei den Pferden. Allein gelassen und ohne Führung. Ich habe ihn auf meine Reisen mitgenommen. Erst da blühte er auf, wenn er die Palastmauern hinter sich lassen konnte. Es ist kein Zufall, dass du keine eigenen Erben hast, Effèlan. Dass Miray bei dir aufwachsen musste, war ein hartes Los für ihn, das kannst du mir glauben.“
„Ich wollte, dass er stark wird, wie ich. Ich wollte einen harten Thronerben, der fortführt, was ich begonnen habe. Ein mächtiger junger Mann sollte er werden, der darauf brennt, meinen Thron zu übernehmen. Der Tahut und allen anderen offen ins Gesicht lachen kann und keine Scheu zeigt, vor irgendwelchen Schwierigkeiten.“
„Weißt du, mein alter Freund“,
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