Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
sagte Roderick und seufzte. „So wie du, denken viele. Die Meinung, man könne jemanden stark machen, in dem man ihm mit Härte begegnet, ist nichts Neues für mich. Aber ein Schössling wird nur zu einem mächtigen Baum, wenn du ihn hegst und pflegst. Wenn du ihn umsorgst und daran denkst, alles Unwetter von ihm fern zu halten. Erst wenn er unter der Liebe deiner Hände gediehen ist, kannst du ihn getrost dem Unbill der Naturgewalten aussetzen.“
Mit diesen Worten drehte sich Roderick um und verließ König Effèlans Gemach. Der König blickte mit einem gnadenlosen Gesichtsausdruck auf den Wald hinunter. Er würde den Jungen schon zu halten wissen. Miray konnte ja doch nicht fort. Im Moment hatte Effèlan größere Sorgen, als die verletzte Seele seines Sohnes. Die Grauen Hexer hatten di e Grenzmauern erreicht und zurzeit wurde dort erbittert gekämpft.
*
Keiner wusste das besser, als Nevantio von Romec. Jonkanur war soeben in einer weiten Schleife über dem Wald von Eshkash in die Kurve gegangen, als Flammen aus den Drachenbäumen an der Grenzmauer schlugen.
„Gütiger Gott, was haben wir getan!“, murmelte der Drachenfürst, während Jonkanur das erste Mal, seit ihrem Aufbruch von Shidabayra, seine Fluggeschwindigkeit drosselte und wie ein segelnder Papierdrache tiefer ging. Heute schien keine Sonne. Neue Regenwolken hatten sich von Norden über das Land geschoben, und ein kühler Wind gesellte sich soeben dazu. Man konnte nur hoffen, dass es bald zu regnen beginnen würde, denn der Waldbrand griff schnell auf die anderen Bäume über. Die Drachenbäume waren von der ungewöhnlichen Wärme dieses Jahr ausgetrocknet und brannten wie Zunder.
„Sie töten sie alle!“, rief der Drache außergewöhnlich kurz angebunden.
Nevantio war sich nicht ganz sicher, ob sich Jonkanurs Aussage auf die Bäume oder die Ashjafal bezog, die mit ihren kräftigen Kampfrössern aus den Toren der Grenzmauer geprescht kamen und sich den rachsüchtigen Hexern auf ihren grauen Schattengäulen stellten.
Der ganze Wald war voll mit ihnen. Nevantio hatte sich nicht vorstellen können, dass es so viele waren. Es machte den Anschein, als würden sie aus den Schatten hervorstürzen, die unter den finsteren Drachenbäumen lauerten. In den Tiefen der Wälder von Eshkash, hatten weder von Romec noch Jonkanur Graue Hexer ausmachen können. Aber hier war auf einmal die ganze Gegend durchsetzt mit ihnen.
Nevantio griff sich unwillkürlich an die Brust. Dort, unter dem Leder seiner Flugausrüstung (die er sich in Yrismin zugelegt hatte), spürte er die Ränder des Schwarzen Buches.
Allein die Tatsache, dass es noch in seinem Besitz war, ließ ihn etwas ruhiger atmen.
„Sie werden von Tag zu Tag mehr“, murmelte Jonkanur und streifte mit seinem Schwanz die ersten Wipfel der gigantischen Drachenbäume.
„Wie viele sind es?“, wollte Nevantio tonlos wissen.
„Wie viele es sind?“, echote der Drache. „Du hast tatsächlich die Nerven, mich zu fragen, wie viele es sind?“
„Ja“, piepste von Romec.
„Niemand weiß, wie viele es sind. Fest steht jedoch, dass es sehr viele sind. Mehr als alle Menschen in Faranjoma zusammen. Vermutlich kommen schon jetzt drei Graue Hexer auf einen Bürger dieses unseligen Landes, und morgen werden es vielleicht vier oder fünf sein. Es sind auf jeden Fall zu viele, und niemand kann sie aufhalten, wenn man sie erst einmal von ihrem Bann befreit hat.“
„Sie erfüllen nur ihren Auftrag“, versuchte Nevantio sich einzureden. „Sobald sie die Ashjafal zurückgedrängt und die Kinder König Tahuts nach Shidabayra gebracht haben, werden wir sie wieder in das Schwarze Buch verbannen.“
Jonkanur schwieg.
„Das werden wir doch, oder?“
Der Drache grunzte unwillig und rauschte durch die in Flammen stehende Baumkrone eines Drachenbaumes abwärts. Nevantio spürte die Hitze über sich hinwegstreichen, wie eine Welle auf dem Ozean, die über seinem Kopf zusammenschlug.
„Bist du verrückt geworden! Ich hätte in Flammen aufgehen können!“, beschwerte sich der Drachenfürst.
„Bist du aber nicht“, schnaubte Jonkanur und tauchte mit erschreckender Heftigkeit zwischen den Baumkronen der Drachenbäume in den Wald von Eshkash ein.
„Was hast du vor!“, stieß Nevantio entsetzt aus und klammerte sich an die dichte schwarze Mähne des Drachen.
„Die sollen
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