Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
nicht denken, dass sie unbeobachtet sind“, brummte Jonkanur und hob die Schwingen über den Körper, damit er nicht gegen die glänzenden Baumstämme stieß. In rasanter Abfolge, trudelten die Bäume links und rechts an ihnen vorbei. Und dann erschienen die Grauen Hexer unter ihnen. In dichten Pulks galoppierten sie auf den Rücken ihrer farblosen Pferde der brennenden Grenzmauer entgegen. Signalhörner schickten nun ihre urtümlichen Laute über die gespenstische Szenerie. Der Drache antwortete mit einem dröhnenden Schrei, der Nevantio beinahe die Ohren weggepustet hätte. Einige der Grauen Hexer rissen erstaunt die Köpfe in die Höhe und wurden sich erst jetzt des großen Drachen gewahr, der über ihnen durch die Zweige der Drachenbäume manövrierte. Sofort änderte sich ihre Angriffslinie. Etliche der Reiter zügelten ihre Rösser und ballten sich unter ihnen wie Ameisen zusammen. Die Pferde brachte das völlig durcheinander. Einige rannten sich über den Haufen, andere brachen aus der Reihe aus und gingen durch.
Eine große, dunkelgraue Rauchwolke, die von den brennenden Drachenbäumen herüberzog, riss das Bild für einen Moment unter Jonkanur und Nevantio fort. Aber von Romec war es so, als hätte er gesehen, wie einige der Hexer Bögen von ihren Rücken genommen hätten. Und wenn ihn nicht alles täuschte, hatten sie kristallene Pfeile auf die Sehnen gelegt.
„Die werden doch nicht auf uns schießen!“, kreischte Nevantio entsetzt auf.
„Natürlich werden sie das“, hielt Jonkanur eigensinnig dagegen.
„Aber ... aber ich bin der mit dem Schwarzen Buch! Ich habe diese verfluchten Hexer aus dem Bann geholt. Die können nicht mit Kristallpfeilen auf mich schießen.“
„Sie schießen ja auch nicht auf dich, sondern auf mich!“, stellte Jonkanur nüchtern richtig.
„Zieh hoch!“, quietschte Nevantio.
„Ich denke ja gar nicht daran!“, krakelte Jonkanur.
Von Romec schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet in den Himmel hinauf. Er saß hier auf dem Rücken eines verrückt gewordenen Drachen, der offenbar der Meinung war, Kristallpfeile könnten ihm nichts anhaben.
Ein heftiger Windstoß, der von Norden durch den Wald von Eshkash fegte, riss die Rauchwolke vor ihren Augen beiseite und enthüllte die zuckende Armee der Grauen Hexer. Die angriffslustigen Gesellen hatten sie zwar schon hinter sich gelassen, aber nun tauchte ein neues Problem vor ihnen auf.
„Was ist das!“, kreischte Nevantio. „Oh mein Gott, die haben einen ...!“
„Greif“, vollendete Jonkanur den Satz in trockenem Tonfall. Soeben raste er zwischen den dicken Ästen eines Baumwipfels hindurch und ließ sich dann so weit zum Boden herabfallen, dass die Spitzen seiner schwarzen Flügel die Köpfe der grauen Pferde streiften.
Dann jagte er in einer steilen Schleife bis über die Baumkronen hinauf, um einen besseren Überblick zu gewinnen.
Rechter Hand war nun die trutzige Grenzmauer der Ashjafal zu sehen. Die Türme ragten wie verfaulte Zähne in den Himmel. Sie befanden sich in einem Abstand von fünfzig Metern zueinander am Verlauf der Mauer und verschwanden Richtung Horizont. So weit das Auge reichte, konnte man die roten Signalfahnen Effèlans auf den glänzenden Dächern der Türme sehen. Zwei der Bauwerke brannten bereits, und zu ihren Füßen wurde heftig gekämpft. Einige Hexer standen weiter abseits auf einer kleinen Lichtung im Kreis, um ein seltsames Fabelwesen herum, das etwas größer war als ein Pferd. Sein Federkleid war von schimmerndem Braun und der Adlerkopf des Greifs besaß die scharfen, gelben Augen eines Raubvogels.
„Er wird uns entdecken!“, kreischte Nevantio und klammerte sich an Jonkanurs Mähne fest.
„Ach ... die halbe Portion!“, rief der Drache gutmütig.
Die halbe Portion hatte sie bereits entdeckt. Der Greif stieß einen scharfen Schrei aus und entfaltete drei Meter lange Adlerflügel, die seinen Löwenkörper augenblicklich in die Luft beförderten.
„Das ist gar nicht gut“, wimmerte Nevantio.
„Jetzt reg dich nicht auf“, spottete Jonkanur. „Ich habe schon Greife besiegt, da bist du noch in den Windeln gelegen! Außerdem ist das kein gefährlicher. Nicht einmal ein weißer. Ein ganz kleiner ist das.“
Der ganz kleine Greif schoss vor ihnen aus einem Baumwipfel, wobei er einen Regen aus Blättern mit sich riss und stürzte dem Drachen mit ausgefahrenen Krallen entgegen.
Nevantio begann wimmernd zu schreien, während Jonkanur sich in der Luft kerzengerade
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