Im Auftrag der Rache
rostbraunen Eisentoren versperrt wurde. Immer wenn eines von ihnen zugeworfen und verriegelt wurde, lösten sich ein paar Rostflocken. Die Wände waren feucht in diesem stillen Kellergewölbe, wo das einzige Licht von der Öllaterne stammte, die einer der Aufseher trug.
»Aber der Mann ist ein Verrückter«, beharrte der Gouverneur mit seiner grellen Stimme.
»Ich weiß, wer er ist. In den ersten Jahren der Belagerung habe ich Seite an Seite mit ihm gekämpft.«
»Aber er ist ein verurteilter Mörder, ein Folterer – er wird eher Euch als den Feind töten! Habt Ihr etwa den Verstand verloren?«
»Er ist der einzige Mann hier unten, mit dem ich noch nicht gesprochen habe. Und wenigstens das will ich tun.«
Die Dunkelheit bedrängte ihn von allen Seiten. Sie schien ihrer kleinen Lichtinsel zu folgen, während sie still den Gang entlangschritten. Die einzigen Geräusche waren das Tropfen von Wasser und das Scharren der Stiefel auf dem Boden. Vier Aufseher in ledernen Schürzen und Handschuhen, die bis hoch zu den Achseln reichten, begleiteten sie; sie waren mit großen Keulen bewaffnet. Alle schwiegen und hatten den Blick starr geradeaus gerichtet. Sie schienen sich innerlich auf die Konfrontation vorzubereiten.
Bahm folgte ihnen. Ihm gefiel die Enge dieses Ortes nicht. Er konnte sich nicht vorstellen, hier als Gefangener weggesperrt zu sein. Spätestens nach einer Stunde würde er an den Wänden kratzen und zu fliehen versuchen.
Die Tür zu der Zelle bestand aus einer massiven Platte aus Tiq-Holz, die mit Eisenbändern beschlagen war. Einer der Wärter trat an sie heran und öffnete eine kleine Sichtluke.
Bahm beugte sich vor und spähte ins Innere.
Er sah eine Kerze, die mitten in der kleinen, gewölbten Zelle brannte und eine Aura aus Wärme verbreitete. In ihrem Licht saß ein großer nackter Mann mit einem eisernen Halsband, das mit einer Kette an der Wand befestigt war, gegen die er lehnte. Das eine Bein hatte er ausgestreckt, das andere angewinkelt, und auf dem Knie lag eine schlaffe Hand. Sein Gesicht war ein räucheriger Schatten, und zwei Augen glitzerten diejenigen, die durch die Luke auf ihn gerichtet waren, in offener Feindseligkeit an.
Bull , dachte Bahm. Wieso habe ich gewusst, dass du so enden wirst?
Er trat zurück, als die Tür von zwei angestrengten Wärtern entriegelt und aufgezogen wurde, wobei die Angeln laut protestierten.
»Bleibt außerhalb seiner Reichweite«, riet der Wärter mit der Laterne Bahm. »Vor ein paar Monaten hat er einen von unseren Männern geblendet. Und zwar mit seinen Daumen.«
Der Mann huschte in die Zelle, während er seine Keule vor sich hielt. Bahm ging ebenfalls hinein und blieb stehen, als er mit den Fußknöcheln gegen die schlaff hängende Kette stieß. Er hielt den Helm unter dem Arm und versuchte in seiner Rüstung und dem roten Umhang beeindruckend auszusehen.
Der Gefangene legte die Hände auf das Halsband und stand in seiner ganzen nackten Pracht auf, wobei die vielen Narben auf seiner muskulösen Brust deutlich zu sehen waren. Er legte sich einen Teil der Kette über den Arm, damit sie ihn nicht zu Boden zog. Es war eine seltsame Geste, beinahe wie das Anlegen einer Amtsrobe.
Du bist alt geworden , dachte Bahm, als er das verlebte Gesicht des Mannes und den an den Schläfen zurückweichenden Haaransatz betrachtete, wo zwei Hörner eintätowiert waren.
Tatsächlich hatte Bahm in den ersten verzweifelten Jahren des Krieges an seiner Seite gekämpft, bevor Bull in die schwere Infanterie der Chartassa geschickt worden war. Schon damals war Bull ziemlich verrückt gewesen – ein gefährlicher und sprunghafter Mann, der einen Kampf mehr genossen hatte als jeder andere, den Bahm kannte. Es hatte ihn nicht überrascht, als Bull schließlich einmal zu oft die Beherrschung verloren hatte, und das auch noch bei der falschen Person – bei seinem vorgesetzten Offizier, den Bull beinahe mit einem einzigen Schlag getötet hätte, nur weil der Mann den Fehler begangen hatte, ihn bei seinem richtigen Namen zu nennen.
Das hatte zu zwei Jahren im Militärgefängnis und einer unehrenhaften Entlassung aus der Armee geführt. Danach hatte Bull eine zweifelhafte Berühmtheit als Ringkämpfer erlangt. Angeblich war er einer der besten auf ganz Khos gewesen.
Und dann war der Tag gekommen, an dem Bahm zusammen mit dem Rest der Stadt von der Ermordung Adrianos‘ gehört hatte. Adrianos war der Held des Nomarl-Angriffs und der letzte Kommandant, der eine erfolgreiche
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