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Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Titel: Im Bann der Lilie (Complete Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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und alle Mühen für Euch auf sich genommen.“
    „Treue kann auch zum Verräter werden“, zischte Julien zurück. „Gaspard kannte unsere wahre Identität, schon vergessen? Ein unbedachtes Wort von ihm und wir hätten ebenfalls auf dem Schafott enden können. Davor schützt uns nicht mal die Unsterblichkeit.“
    War das wirklich der einzige Grund gewesen?
    Marcel blickte ihn immer noch ungläubig an. Diese Kaltblütigkeit hatte er früher nie an Julien bemerkt, und ihm gefiel dieser Wesenszug ganz und gar nicht. Der Adelige spürte, dass er offenbar einen groben Fehler gemacht hatte. Das bedingungslose Vertrauen, das bislang im Blick des Jungen gelegen hatte, schien verschwunden. Jetzt lagen Empörung und Verachtung darin. Keine gute Basis für eine zärtliche Annäherung!
    Marcel schnappte seinen Umhang und ging ohne ein Wort an dem Marquis vorbei zur Türe. Er warf diesem nicht einmal einen Blick zu, als er das Haus verließ. Ein eisiger Wind durchdrang das Haus binnen weniger Sekunden, und diese schneidende Kälte schien eine schmerzhafte Grenze zwischen ihnen beiden zu ziehen. Dann fiel die Tür hinter dem jungen Vampir ins Schloss, und Julien war allein mit einer Leiche.
    Hatte er Marcel nun für immer verloren?
     
    Ende Teil 1

Im Bann der Lilie – Teil 2

Was, zum Teufel, hatte er sich nur dabei gedacht? In wenigen Stunden würde die Sonne aufgehen, und er brauchte dringend eine schützende Unterkunft! Vielleicht hätte er doch mit Graziella und dem Zirkus weiterziehen sollen?
    Marcel Saint-Jacques reute sein überstürzter Aufbruch bereits. Ruhelos war er seit dem Streit mit dem Marquis Julien de Montespan durch die schlafende Stadt gestreift, ausgesetzt der winterlichen Kälte, die er dank seines Daseins als seelenloser Engel der Nacht nicht einmal spürte. Trotz seines Zornes auf die Überheblichkeit des Marquis fühlte er sich doch nach wie vor zu dem attraktiven älteren Vampir und Erschaffer hingezogen. Dessen Blick hatte ihn fast angefleht zu bleiben, als er, Marcel, erzürnt über den unnötigen Mord an dem getreuen Kutscher Gaspard das Haus verließ! Doch Juliens Stolz ließ kein nachgiebiges Wort über seine Lippen kommen.
    Marcel hatte soviel von ihm lernen können. Und bestimmt hatte Julien ihm noch nicht alle Geheimnisse ihrer Rasse verraten. Der schlaue Fuchs liebte es, ihm immer nur Bruchstücke ihrer besonderen Fähigkeiten zu offenbaren. Er, der unerfahrene Lehrling, musste dieses verwirrende Puzzle stets wieder neu zusammensetzen. Und jede Antwort schien neue Fragen aufzuwerfen. Nichtsdestotrotz hatte er Julien de Montespan sehr viel zu verdanken. Nicht nur seine jetzige Existenz als Engel der Finsternis. Im Moment allerdings empfand er eine unerträgliche Leere. Aber da war immer noch diese Angst und Unsicherheit in ihm, sich dem Marquis gänzlich anzuvertrauen, obwohl es keinerlei Standesunterschiede mehr zwischen ihnen beiden gab, seit dieser ihn als Mündel adoptiert hatte.
    Er hatte diese Leere im Herzen schon einmal verspürt, als er geduldet, aber dennoch gefürchtet, mit den Zirkusleuten unterwegs gewesen war. Auch die Sinnlichkeit der schönen Artistin Graziella hatte diese nur vorübergehend ausfüllen können.
     
    Wo sollte er bloß hin?
    Mitten in seinem Grübeln hatten ihn seine Schritte unmerklich auf einen kleinen Friedhof etwas außerhalb von Paris gelenkt, der offensichtlich seit längerer Zeit nicht mehr gepflegt wurde. Auf den Grabmonumenten las er adelige Namen. Heute wurden die Adeligen nach ihrer Hinrichtung nur noch verscharrt!
    In den letzten Jahren hatte sich die Natur die Grabstätten zurück erobert. Ein Mausoleum schien dem jungen Vampir genau die richtige Ruhestätte zu sein. Mit seinen mentalen Kräften öffnete er das schwere Eichenportal, dessen Schnitzereien ein fürstliches Wappen zeigten und vom wilden Wein bereits überwuchert wurde. Zwei steinerne Sarkophage aus edlem schwarzbraunem Marmor befanden sich im Innenraum, der wie eine kleine Kapelle ausgestattet war und nun mit den Spinnweben und den verwelkten Blumen einen morbiden Charme versprühte. Offenbar waren die Särge nie gänzlich geschlossen worden und warteten mit schräg gestellten steinernen Deckeln bis heute auf ihre Bewohner. Die Luft roch staubig und abgestanden. Es geschah oft, dass Adelsfamilien vorsorglich solche großzügigen Bauwerke für ihr Ableben errichten ließen. In diesen unruhigen Zeiten war den Erbauern wohl die ewige Ruhe in solcher Pracht nicht vergönnt gewesen. Welch

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