Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar

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Schwanz waren schwarz“, erklärte er weiter. „Außerdem sind die Weibchen größer als die Männchen … und du warst groß, glaub mir.“
    „ Wie auch immer“, fuhr meine Großmutter fort, „der Vogel allein ist absonderlich genug, die Geschlechtsumwandlung beim Löwen sowieso. Noch nie ist mir etwas Derartiges zu Ohren gekommen, zumindest nicht in der Wirklichkeit … Anna weiß Bescheid, nehme ich an.“
    „ Ja, mit dem Löwen hat sie es zum Glück gleich mitgekriegt. Was die zweite Metamorphose angeht, musste ich es jemandem erzählen. Entschuldige, dass ich mich dir nicht anvertraut habe … Du hattest gerade angefangen …“
    „ Schon gut!“ Sie tätschelte mir die Hand. „Also sucht Anna Laurence deinetwegen. Ich glaube auch, dass deine Tante deine Fragen eher beantworten kann. Obwohl … es klingt alles so unglaublich … Ein gefundenes Fressen für den Rat, um die Verfolgung von Hybriden wieder aufzunehmen und zu einem neuen Kreuzzug gegen Vermählungen zwischen den Spezies aufzurufen.“
    Ihr Blick wanderte dabei zwischen mir und Manuel hin und her.
    „ Die ersten Verwandlungen haben sich hingezogen, während ich die dritte kaum wahrgenommen habe.“
    „ Das kann ich dir erklären. Am Anfang geht es immer langsam, weil der Körper sich dagegen wehrt, vor allem wenn derjenige nicht einmal weiß, was mit ihm geschieht, wie es bei dir der Fall war. Mit der Zeit wird es zur Routine und alles geht natürlich schneller. Beim Wasserfall hast du dich mental darauf vorbereitet, als du die Gefahr erkannt hast. Das Adrenalin hat den Rest gemacht.“
    „ Was machen wir jetzt?“, wollte ich wissen, als sie nachdenklich schwieg.
    „ Wenn ich das wüsste! Ich habe mich gerade gefragt, ob die Wölfe im Auftrag des Rates gehandelt haben, oder ob sie nur übereifrig waren, weil sie wussten, was ihr seid. Sie könnten aber genauso gut einem Rudel aus der Gegend angehören und einfach etwas Merkwürdiges gewittert haben, was ich bezweifle. Wenn dem so wäre, hätten sie sich wahrscheinlich gar nicht gezeigt. Falls der Rat seine Finger im Spiel hat, ist es riskant, hier zu bleiben. Sollten wir allerdings fliehen, müssten wir uns ein Leben lang verstecken. Am besten rufen wir deine Mutter an, Manuel. Mal hören, was sie dazu meint. Ich möchte sowieso nicht die ganze Verantwortung tragen. Wenn dir etwas passieren sollte, würde ich es mir nie verzeihen – und sie auch nicht.“ Wie in Trance stand sie auf und fragte: „Will jemand einen Kaffee oder einen Tee?“
    Verdutzt schlug ich vor: „Ich kümmere mich drum, geh du telefonieren.“
    Manuel, der auf die Antwort seiner Mutter neugierig war, blieb bei meiner Oma, während Yannick mir in die Küche folgte.
    „ Deine Großmutter scheint mit beiden Beinen mitten im Leben zu stehen, wie kommt es, dass du es ihr nicht früher erzählt hast? Ich hatte eine zerbrechliche Frau erwartet.“
    „ Na ja, ich erkenne sie im Moment selbst nicht. Ich hatte Angst, schmerzhafte Erinnerungen zu wecken. Sie war nach dem Tod meines Großvaters und meiner Mutter in eine Art Lethargie gefallen. Im Grunde genommen ist sie erst nach der Ankunft von Manuel wieder ganz die Alte geworden. Zum ersten Mal habe ich die Frau erkannt, die sie mal war. Als hätte sie ihren verlorenen Sohn beziehungsweise Enkel wiedergefunden. Was auch immer passieren mag, sie sollte zu uns ziehen. Es bekommt ihr nicht, allein hier oben zu leben.“
    Als ich mit den Vorbereitungen für Tee und Kaffee fertig war, zog mich Yannick an sich. Schweigend schmiegte ich mich an ihn. Es tat gut, ihn zu spüren. Als meine Großmutter den Raum betrat, ließ er mich sofort los.
    „ Meinetwegen müsst ihr nicht auseinandergehen, ich bin nicht Manuel. Er telefoniert noch mit seinem Vater. Anscheinend ist Anna immer noch auf der Suche nach Laurence. Dummerweise hat sie ihr Handy liegen lassen. Wir müssen also auf ihren Anruf warten.“
    „ Inwiefern meinen Sie, dass Laurence Lilly helfen kann?“
    „ Keine Ahnung, ob sie das wirklich kann. Da sie aber seit Jahren mit Gestaltwandlern zusammenlebt, sollte sie eher in der Lage sein, ihre Fragen zu beantworten.“
    „ Hast du Miguel etwas erzählt?“, wollte ich wissen.
    „ Nein, Manuel hätte es sowieso nicht zugelassen. Er hat mir praktisch den Hörer aus der Hand gerissen, wahrscheinlich aus Angst, ich könnte etwas sagen.“
    „ Manuels Vater wusste nicht, was Anna war, als er sie geheiratet hat“, erklärte ich Yannick. „Er hat ihr nie verziehen, dass sie