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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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waren, hatten sich einige der wichtigsten Männer der amerikanischen Industrie zusammengesetzt, um über die Wirtschaftslage zu diskutieren. Die Kohle wurde durch Frick repräsentiert, die Eisenbahnen durch Harriman, das Ol durch Rockefeller, das Bankwesen durch Schiff und die Morgans. Sie hatten vorgehabt, ein Konsortium zur Stützung des Geldmarktes zu bilden. Jack Morgan war einverstanden gewesen, der alte Pierpont aber nicht, und so war daraus nichts geworden.
    Den ganzen Sommer über hatte William den schwächelnden Aktienmarkt beobachtet und gehofft, er würde sich wieder erholen oder ihm zumindest ein Zeichen senden. Hieß es nicht immer, der Markt wüsste es am besten? Das sagten die Leute jedenfalls, doch William hegte Zweifel. Bisweilen kam es ihm so vor, als sei der Markt nichts mehr als eine zufällige Ansammlung von Individuen, die sich von kleinen Hoffnungen ernährten, bis irgendetwas sie erschreckte und sie dann kopflos auseinanderspritzten wie ein großer Fischschwarm. Während all dieses Wankens und Bangens spendete ihm der Gedanke an den Rolls, der auf dem Weg zu ihm war, Kraft und Mut. Und als er ausgeliefert wurde, schien die wuchtige Pracht der Karosse zu sagen: Ein Mann, der ein solches Gefährt besitzt, kann nicht in Geldschwierigkeiten stecken.
    Welch eine Ironie also, dass sich der faule Balken, der dabei war, den gesamten Markt zum Einsturz zu bringen, ausgerechnet als die Firma mit dem glanzvollsten Namen entpuppte!
    Die Knickerbocker Trust. Der Name schien zu suggerieren, die Firma sei so solide wie ein Fels. Knickerbocker klang nach Tradition, nach altem Geld und dem Club seines Vaters mit seinen alten Wertvorstellungen. Aber seit heute Mittag pfiffen es die Spatzen von den Dächern, dass die Knickerbocker in Schwierigkeiten steckte.
    Um drei Uhr waren die Partner von Williams Treuhandfirma zu einer entsetzlichen Schlussfolgerung gelangt.
    »Wenn die Knickerbocker Pleite macht, bricht eine Panik aus. Jeder Einleger wird sein Geld zurückverlangen. Die Treuhandgesellschaften werden wie Kegel umfallen. Unsere nicht ausgenommen.« Und das würde nur der Anfang sein.
    Nach dem Treffen ging er in sein Büro und schloss die Tür, nahm ein Blatt Papier und versuchte, sich Klarheit über seine Situation zu verschaffen. Wie hoch waren seine Verbindlichkeiten? Und was konnte er unternehmen?
    *
    Am Samstag unternahm William Master mit seiner Frau und seinen Kindern eine Spritztour im Rolls-Royce hinauf nach Westchester County. Es war recht warm, und umgeben von den Gold- und Rottönen des Herbstes wurde es eine sehr angenehme Fahrt. Sie fuhren bis nach Bedford und machten dort Picknick.
    Am Sonntag gingen sie natürlich alle in die Kirche, wo der Vikar eine etwas fade Predigt über die Hoffnung hielt.
    Am Abend las William seinen Kindern vor. Aus keinem besonderen Grund wählte er die Geschichte des Rip Van Winkle aus. Als sie an die Stelle kamen, wo die gespenstischen Niederländer in den Bergen über dem Hudson kegelten, musste er unwillkürlich an den gewaltigen Krach denken, mit dem die Wall Street wahrscheinlich wie Kegel zu Fall gebracht würden, aber seine Miene verriet nichts. Seine Familie sollte sich an ein letztes glückliches Wochenende erinnern können.
    Und in dieser Nacht, als Rose erwähnte, zwei Damen in der Kirche hätten geflüstert, kommende Woche seien an der Börse wahrscheinlich gewaltige Probleme zu erwarten, lächelte er und sagte: »Ich möchte wetten, die werden zu lösen sein.«
    *
    Manchmal fragte sich William, ob alles in der Welt miteinander zusammenhing. An Alaska hatte er dabei allerdings nicht gedacht. Er war in der Maklerfirma, als er am nächsten Vormittag die Kabelmeldung sah. Sie erschien zunächst vollkommen harmlos. Die Guggenheims, die mächtigen deutsch-jüdischen Bergbauunternehmer, planten, in Alaska riesige Kupfervorkommen auszubeuten. Als William das las, rief er aus: »Jetzt ist alles vorbei!«
    Vor einiger Zeit hatte eine kleine Gruppe von Spekulanten beschlossen, den Kupfermarkt aufzukaufen. Er kannte die Männer. Die Kupfervorräte waren begrenzt, und der Preis schoss in die Höhe. Von diesen verfluchten Minen in Alaska hatte niemand etwas geahnt. Um das Kupfer aufkaufen zu können, mussten sie von der Knickerbocker Trust ein Vermögen aufnehmen; aber mit der Aussicht auf neue, riesige Lieferungen von den Guggenheims würden die Kupferpreise in den Keller fallen. Genau das geschah binnen zweier Stunden.
    Dann flüsterte ihm einer der Direktoren zu:

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