Im Rausch der Freiheit
hatte, stand plötzlich auf und kam mit steifen Schritten nach vorn.
»Mit Verlaub, hohes Gericht, ich bin beauftragt, den Angeklagten zu vertreten.«
»Und wer sind Sie?«, fragte einer der Richter gereizt.
»Mein Name ist Hamilton, Euer Ehren. Andrew Hamilton. Aus Philadelphia.«
Und jetzt sah Kate, wie ihr Vater förmlich hochschreckte und sich aufgeregt vorlehnte.
»Wer ist das?«, fragte sie.
»Der beste Prozessanwalt von Amerika«, antwortete er leise, während Stimmengewirr den Gerichtssaal erfüllte.
Es war offensichtlich, dass die Richter und der Kronanwalt vollkommen überrumpelt waren, aber sie konnten nichts machen. Noch verblüffter zeigten sie sich, als der Anwalt aus Philadelphia ihnen ruhig erklärte: »Mein Mandant bestreitet nicht, die inkriminierten Artikel veröffentlicht zu haben.« Ein Grund, weshalb für den Kronanwalt keine Notwendigkeit bestand, Zeugen aufzurufen. Nach einer langen Stille erhob sich Bradley, jetzt sichtlich ratlos, und erklärte, wenn der Angeklagte tatsächlich nicht bestreite, die ehrverletzenden Schriften veröffentlicht zu haben, dann müssten ihn die Geschworenen für schuldig erklären. Mit einem leicht nervösen Blick in Richtung Hamilton erinnerte er außerdem die Jury daran, dass es dabei überhaupt keine Rolle spiele, ob die Zeitungsartikel der Wahrheit entsprächen oder nicht. Um Ehrverletzung handle es sich so oder so. Anschließend erklärte der Kronanwalt den Geschworenen des Langen und des Breiten, unter Anführung von Gesetzen, Brauch und Bibel, warum Ehrverletzung ein so schweres Verbrechen sei und warum ihnen nach den Buchstaben des Gesetzes keine andere Wahl bleibe, als Zenger schuldig zu sprechen. Endlich setzte er sich hin.
»Hamilton hat schon jetzt verloren«, flüsterte Kate ihrem Vater zu, aber er erwiderte lediglich: »Wart’s ab.«
Der alte Mann aus Philadelphia schien es nicht eilig zu haben. Er schwieg, bis Chambers seine paar Worte für die Verteidigung gesagt hatte, raffte dann seine Papiere zusammen und stand langsam auf. Obgleich er das Gericht höflich ansprach, schien seine Miene zum Ausdruck zu bringen, dass die ganze Veranstaltung ihn ein wenig verwirrte.
Es falle ihm nämlich schwer zu verstehen, so seine Worte, wozu sie sich überhaupt alle dort eingefunden hätten. Wenn eine sachliche Beschwerde über eine schlechte Regierung den Tatbestand der Ehrverletzung erfüllte, so sei ihm das neu. Ja – er warf den Geschworenen einen ironischen Seitenblick zu –, er wäre nicht einmal auf die Idee gekommen, dass sich die Artikel in Zengers Zeitung auf den Gouverneur persönlich bezögen, wenn der Ankläger das Gericht nicht ausdrücklich dieses Sachverhalts versichert hätte. Hier grinsten einige Geschworene.
Zudem, fuhr er fort, stütze sich der vom Ankläger vertretene Begriff von Ehrverletzung auf das tyrannische »Sternkammer« -Gericht und entstamme dem England des 15. Jahrhunderts. Nicht gerade eine Empfehlung. Außerdem – war es nicht denkbar, dass ein vor Jahrhunderten in England erlassenes Gesetz für die amerikanischen Kolonien und die Gegenwart unangemessen sein könnte?
Kate gewann den Eindruck, dass dies England gegenüber illoyal klang, und sie warf ihrem Vater einen Blick zu; doch er lehnte sich zu ihr hinüber und flüsterte: »Sieben von den zwölf Geschworenen haben niederländische Namen.«
Doch aus irgendeinem Grund schien der alte Mann plötzlich abzuschweifen. Es verhalte sich damit genauso wie mit den amerikanischen Landwirten, erklärte er, auf die englische Gesetze angewandt würden, die für ein ganz anderes Landbesitzsystem konzipiert seien. Die Landwirtschaft schien ihn ganz besonders zu interessieren. Er sprach von Pferden und Rindern und steigerte sich gerade in das Thema eingezäunte Viehweiden hinein, als der Kronanwalt sich von seinem Platz erhob, um darauf hinzuweisen, dass dies alles nichts mit dem Fall zu tun habe. Und Kate hätte leicht zu dem Schluss gelangen können, dass der alte Mann aus Philadelphia tatsächlich den Faden seiner Argumentation verloren hatte, wäre ihr nicht aufgefallen, dass drei der Geschworenen, die wie Farmer aussahen, dem Kronanwalt einen bitterbösen Blick zuwarfen.
Bradley ließ sich allerdings nicht von seinem Einspruch abbringen. Die Anklage laute auf Ehrverletzung, rief er der Jury ins Gedächtnis, und die Verteidigung habe dies bereits eingeräumt. Doch der alte Andrew Hamilton schüttelte erneut den Kopf.
»Uns wird zur Last gelegt, ›eine gewisse unwahre,
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