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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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böswillige, aufwieglerische und ehrverletzende Schrift‹ gedruckt und veröffentlicht zu haben«, erinnerte er. Es sei nun Sache des Kronanwalts, nachzuweisen, dass Zengers Beschwerden über den bösen Gouverneur unberechtigt seien. Denn er für sein Teil sei mit dem größten Vergnügen bereit, zu beweisen, dass im Gegenteil jedes einzelne Wort davon der Wahrheit entspreche.
    Die Gesichter der Geschworenen hellten sich auf. Sie freuten sich auf diese Beweisführung. Doch Kate sah ihren Vater den Kopf schütteln.
    »Damit kommt er nicht durch«, murmelte er. Und tatsächlich, obwohl der alte Advokat mit aller Kraft kämpfte, unterbrachen ihn der Kronanwalt und der eine oder andere Richter praktisch im Minutentakt, um seine Einlassungen für nicht zur Sache gehörig zu erklären. Gesetz war Gesetz, die Wahrheit unerheblich, eine Klageerwiderung nicht möglich. Der Ankläger schaute zufrieden drein; die Geschworenen nicht. Der alte Andrew Hamilton stand neben seinem Stuhl. Sein Gesicht wirkte angespannt. Er schien Schmerzen zu leiden, sich nicht mehr auf den Beinen halten zu können.
    Das war es also. Kraft eines ungeheuerlichen Gesetzes schien der arme Zenger dem Untergang geweiht. Kate sah den Drucker an, der nach wie vor sehr blass und aufrecht in seinem Kasten stand, und sie empfand nicht nur Mitleid mit ihm, sondern auch Beschämung wegen des Rechtssystems, das ihn schon bald für schuldig befinden würde. Sie war daher äußerst überrascht, als ihr Vater plötzlich einen Blick voller Bewunderung auf den alten Hamilton richtete.
    »Bei Gott«, murmelte er in sich hinein. »Der listige alte Fuchs!« Und bevor er ihr erklären konnte, was er meinte, drehte sich der Anwalt aus Philadelphia um.
    Die Veränderung war bemerkenswert. Sein Gesicht sah energiegeladen aus, sein Körper gerade und straff wie ein Ladestock. Es war so, als habe er wie durch Zauberhand plötzlich eine andere Gestalt angenommen. In seinen Augen leuchtete ein neues Feuer. Als er anfing zu sprechen, war seine Stimme von einer neuen Autorität erfüllt. Und diesmal wagte es niemand, ihn zu unterbrechen.
    Denn sein Schlussplädoyer war ebenso meisterlich wie leicht verständlich. Die Jury, erinnerte er die Geschworenen, habe die alleinige Entscheidungsgewalt in diesem Gericht. Anwälte könnten argumentieren, Richter die Entscheidungsfindung begleiten; aber nur sie, die Geschworenen, hätten die Macht, das Verdikt zu fällen; und die Pflicht. Dieses unselige Gesetz über die Ehrverletzung sei ebenso unbestimmt formuliert wie schlecht. Fast alles, was man sagte, ließ sich verdrehen und zu einer Ehrverletzung konstruieren. Selbst eine Beschwerde über eine ungerechte Behandlung, die doch eines jeden Menschen Naturrecht sei.
    Nur so konnte ein Gouverneur, der keiner Kritik ausgesetzt weiden wollte, dieses Gesetz als Waffe verwenden und sich über das Gesetz stellen. Was nichts anderes sei als juristisch sanktionierter Machtmissbrauch. Und was stehe zwischen solcherlei Tyrannei und den Grundrechten eines freien Volkes? Sie, die Geschworenen. Nichts sonst.
    »Der Verlust der Freiheit gilt einem hochherzigen Menschen schlimmer als der Tod«, verkündete Hamilton. Bei diesem Prozess gehe es nicht um einen New Yorker Drucker, sondern um ihr Recht und ihre Pflicht, freie Menschen gegen jede willkürliche Ausübung von Macht zu schützen, so wie das viele beherzte Männer vor ihnen getan hatten.
    Jetzt, sagte er zu den Geschworenen, sei es an ihnen. Die Entscheidung liege in ihren Händen. Und damit setzte er sich.
    Die Richter waren nicht erfreut. Einer erklärte den Geschworenen, dass es – ungeachtet dessen, was der Anwalt aus Philadelphia gesagt habe – ihre Pflicht sei, den Drucker für schuldig zu befinden. Die Jury zog sich zur Beratung zurück.
    Während im Gerichtssaal ein Stimmengewirr ausbrach und Zenger weiterhin aufrecht auf seiner Anklagebank saß, erklärte Eliot Master seiner Tochter die Situation.
    »Mir war zunächst selbst nicht klar, worauf er hinauswollte. Erst hat er die Geschworenen damit wütend gemacht, dass die naheliegendste und für jeden einsichtige Verteidigung Zengers – nämlich dass der arme Teufel nicht mehr getan hatte, als die Wahrheit zu sagen – vom Gericht nicht zugelassen werden sollte. Und dann hat er die eine Karte ausgespielt, die er die ganze Zeit im Ärmel hatte. Sie nennt sich ›Annullierung durch die Jury‹. Eine Jury hat das Recht, einen Fall vollkommen frei zu entscheiden – das heißt, auch gegen

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