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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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die Nacht Zusammenhocken abzumildern wussten. Elia versuchte sich sogar auf Langlaufskiern, und da sie sportlich war undJulia beim Wachsen eine glückliche Hand bewies, gefiel es ihr sehr, hinter Julia durch den Wald zu gleiten. Anschließend wartete die Sauna auf sie, als Wundermittel gegen Muskelkater, wobei Elia nie so recht wusste, ob sie die Schwitzerei köstlich oder grässlich finden sollte.
    Julia hatte allerhand zu berichten: »Stell dir vor, neulich hab ich Sonia getroffen, die tut wunder wie zufrieden, sie ist wieder mit ihrem Ex zusammen, dem ›Kindsvater‹, wie Massimo ihn genannt hat.«
    Und was machte Karl? Elia war gleich am ersten Tag zu Bennos Gehege gegangen, in der Hoffnung, ein neues Elchjunges vorzufinden. Aber das Gatter und die Hütte waren verwaist.
    »Weißt du, wenn ich an Karl denke, wird mir ganz warm ums Herz. Meinst du, er ist wegen Carlos böse auf mich?«, fragte Elia.
    Julia winkte ab: »Quatsch, der liebt und bewundert dich immer noch, auf den kannst du dich verlassen bis ans Ende deiner Tage, da bin ich mir sicher. Er kommt bald aus Paris zurück, vielleicht seht ihr euch noch.«
    Nun standen erst einmal die Proben zu ›Don Giovanni‹ an, und Elia wusste noch gar nicht, was auf sie zukam, denn sie kannte weder den Regisseur noch einige der Mitwirkenden. Julia konnte sie beruhigen, Carsten Persson, ein kluger Pessimist, war bekannt für seinen grimmigen Humor: »Er kommt vom Theater, ich hab schon ein paarmal mit ihm gearbeitet und viel von ihm profitiert. Aber sieh dich vor, wenn ihm etwas nicht passt oder er schlechte Laune hat, was nicht selten vorkommt, er ist nämlich magenkrank, dann schreit er erst mal rum, das darfst du nicht persönlich nehmen.«
    Die Warnung erwies sich als hilfreich, wie Elia bald feststellen durfte, dabei nahm er sich sogar zusammen und hatte Kreide gefressen, wie Ture behauptete. Es war vielleicht auch Pech, dass ausgerechnet die Donna Anna und der Don Ottavio, mit denen er es gleich zu Anfang zu tun hatte, seinemVorurteil von Opernsängern entsprachen und erst einmal wie Klötze auf der Bühne herumstanden. Zum Glück ließ er seine schlechte Laune nie an Elia aus, allerdings hätte sie sein schwedisches Geschrei und Gemaule auch nicht verstanden. Doch dann beruhigte er sich im Laufe der Proben und geriet sogar in Begeisterung über die Fähigkeiten der Sänger, allen voran Ture und Elia. Nun überschlug er sich mit fabelhaften Einfällen, die er mit einer Engelsgeduld erklärte und vorspielte, so lange, bis selbst die ungelenke Anna und der fade Ottavio in Feuer gerieten.
    Je unausweichlicher Don Giovanni seinem finsteren Ende entgegeneilte, desto entspannter wurde die Stimmung auf der Bühne. Das brillante Schlussensemble nach einer furiosen Höllenfahrt klang höchst plausibel, wenngleich die arme Elvira nicht ganz so erleichtert mit einstimmen konnte. Sie stand etwas abseits, doch kurz bevor der Vorhang sich schloss, ging Zerlina zu ihr hin, nahm sie bei der Hand und holte sie zu den anderen herüber. Plötzlich schien es nicht mehr ganz sicher, ob sich Elvira tatsächlich für den Rest ihres Lebens hinter Klostermauern zurückziehen würde. Carsten Persson, der Knurrige, war im letzten Augenblick auf diesen Einfall gekommen: »Ich hab’s nicht mit ansehen können, eine so schöne junge Frau.«

    Den Anflug von Unlust und Mattigkeit hatte der ›Don Giovanni‹ vollends hinweggefegt. Die Zeit verging jetzt im Fluge. Nach einer kurzen, sehr gelungenen Wiederaufnahme von ›Romeo und Julia‹ stand auch schon der ›Tannhäuser‹ an.
    Als Björn Eksell seinerzeit Elia die Rolle der Elisabeth angeboten hatte, war sie im ersten Moment etwas enttäuscht gewesen. Warum nicht die Venus?, hatte sie sich gedacht. Sie stellte sich die Göttin der Liebe aufregender vor als eine Heilige. Hier wollüstige, verruchte Inbrunst, Üppigkeit aus Fleisch und Blut, dort keusche Entsagung, ein edler Schatten, der mit gefalteten Händen still dem Opfertod entgegensiecht.
    Doch schon bald hatte sie erkannt, dass es sich genau umgekehrt verhielt. Wenn eine der beiden Frauen einem Klischee entsprach, dann die Venus, sie war zum Inbegriff des Fleischlich-Sündigen geronnen. Zu einer Männerphantasie, deren eigene Beweggründe nicht herauskamen, auch nicht, weshalb sie sich als große Göttin in diesen windigen Tannhäuser vernarrt hatte – und ihn nicht einmal halten konnte, als er sie, ihrer überdrüssig, verlassen wollte.
    Dagegen war die Elisabeth ein

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