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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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einen Meter in die Tiefe, doch um jedes Risiko auszuschalten, hatte man hinter der Kulisse der Engelsburg ein Polster ausgebreitet. Dort lag nun Elia, ganz verbogen und krumm, als sei sie tatsächlich zerschmettert. Fulvio und auch Ture stürzten sofort zu ihr hin, sie reagierte nicht, aber unter den geschlossenen Lidern quollen Tränen hervor. Sie war nicht in der Lage, sich zu verbeugen. Ture und Carlos gingen allein vor den Vorhang, der Abendregisseur erklärte etwas von einerleichten Verletzung, das Publikum stöhnte erschrocken auf, Elias Verwirrung war ihm nicht entgangen, doch dann brach es in einen demonstrativen Applaus für die Abwesende aus.
    Sobald er konnte, eilte auch Carlos zu Elia, Björn und alle möglichen Hilfswilligen waren schon da. Elia brachte noch immer kein Wort heraus, sie zitterte am ganzen Körper. Man hob sie auf eine Bahre; da sie sich ganz offenbar nicht verletzt hatte, entschieden Björn und Carlos, sie nicht ins Krankenhaus, sondern nach Hause zu bringen. Erst die Garderobiere und die Maskenbildnerin kamen auf die Idee, Elia vorher aus dem Kostüm zu befreien und sie abzuschminken. Unter dem Gemurmel und den sanften Händen schien sie sich etwas zu beruhigen, die Farbe kehrte zurück in ihr aschfahles Gesicht, die Tränenbäche versiegten für eine Weile.
    Carlos wollte bei Elia bleiben, notfalls konnte er Hilfe holen, und der Arzt hatte ausreichend Tabletten und Pülverchen dagelassen. Er nahm sie in die Arme, er streichelte und küsste sie und sprach auf sie ein, Elia ließ alles mit sich geschehen, er merkte auch, dass es ihr guttat, und doch kam von ihrer Seite nichts, kein Blick, keine Geste, ihre Arme hingen kraftlos herab wie bei einer Puppe. Schluchzer, aus tiefster Tiefe, schüttelten ihren Körper. Ihr Gesicht war von Tränen ganz nass, sie konnte nicht aufhören zu weinen. Irgendwann brachte sie schließlich doch die Augen auf und stammelte etwas von Blut.
    Carlos dachte zuerst, dass sie Ferdinand meinte, aber dann begriff er, dass sie von ihrem Vater sprach. Stöhnend und stockend, wie unter Schmerzen, würgte sie die Worte heraus. Carlos verstand sie kaum, aber dann sah er das kleine Mädchen auf der Treppe stehen, vor Schrecken gelähmt, hilflos und verzweifelt, sein Kummer ging ihm so zu Herzen, dass auch er zu weinen begann. Elia seufzte ein paarmal auf, endlich umschlang sie Carlos und presste sich an ihn. Obwohl niemand anderes im Zimmer war, flüsterten sie. Nein, Elia hatte einige Dinge noch nie einem Menschen erzählt. Ganz einfach, weil die schlimmsten Passagen des Schreckensszenariosaus ihrem Bewusstsein getilgt waren. Eine Überlebensstrategie ihres empfindlichen Gemüts? Mariana hatte von Anfang an den Verdacht gehabt, dass Elia sich über irgendetwas nicht klar werden wollte – oder nicht konnte. Jetzt hatten sich die Gedächtnislücken gefüllt. Die Bilder waren in Elias Bewusstsein wieder vorhanden, wie eine unerträgliche Szene in einem Horrorfilm. Schon beim Gedanken daran fing Elia wieder an zu zittern, und doch, irgendwie empfand sie sogar Erleichterung darüber, dass ihr furchtbares Geheimnis nun gelüftet war. Vielleicht half es ihr auch weiter, sie hatte keine Ahnung. Wie zwei verstörte Kinder hielten sie einander umschlungen, Elia war zu Tode erschöpft, ihr stoßweiser Atem wurde leiser, ihr angespannter Leib erschlaffte, eine Weile dösten sie vor sich hin, dann schliefen sie beide ein.
    Doch plötzlich bäumte sich Elia auf, es war, als explodiere etwas in ihr: »Ferdinand ist tot!« Sie sprang aus dem Bett und rang die Hände, wild warf sie den Kopf hin und her. »Er ist tot, er ist tot, er ist tot«, schrie sie immer wieder. Heulend warf sie sich Carlos an die Brust, sie schüttelte ihn an den Schultern: »Verstehst du, umgebracht, durch einen besoffenen Idioten.« Sie holte Atem:
»Morto, morto così« ,
schleuderte sie wutentbrannt Toscas entsetzte Worte heraus. »Dieser Mensch! Diese Stimme!« Ein Sturmwind schien Elias Verzweiflung neu angefacht zu haben, sie keuchte und schluchzte und knirschte mit den Zähnen, hilflos vor Schmerz und Wut stampfte sie auf den Boden.
    Irgendwann sank sie zurück aufs Bett. Ihre Wangen und ihr Körper glühten, sie klammerte sich an Carlos, ihre vom Weinen geschwollenen Lippen fanden seinen Mund, oh ja, aus Verzweiflung konnte man auch küssen. Sie packten, sie streichelten, sie verkrallten sich und stürzten ineinander, rasend, lechzend nach Leben.
    Sie schliefen bis spät in den Tag hinein. Elia fühlte

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