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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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herzlos, aber dabei legte sie den Arm um Elia. Es war wie in alten Zeiten, da hatte Mariana sie auch manchmal angeschnauzt, wenn Elia bei schwierigen Stellen Panik bekam, statt ihren eigenen Kräften zu vertrauen.
    Was die ›Tosca‹ betraf, so kamen sie zu dem Schluss: Elia hatte bei einer weiteren Vorstellung nichts mehr zu befürchten. Und auch sonst würde eine so ungünstige Konstellation wohl nie mehr zusammentreffen. Elia wurde geradezu euphorisch: »Jetzt merke ich es erst richtig: Ich habe beim letzten Akt nie so genau hingeschaut. Ich wollte die Sache mit Anstand hinter mich bringen, aber ich habe mich irgendwie weggeduckt, ganz anders als im zweiten Akt. Den fand ich zwar grässlich, aber da habe ich mich voll reingekniet. So, und jetzt hat es mich endlich erwischt, und das Phantastische daran ist: Ich habe keine Angst mehr! Die können jetzt schießen, so viel sie wollen, mir egal.«
    Diese letzte ›Tosca‹- Vorstellung war als festlicher Abschied für Elia geplant gewesen. Nun wurde sie zur Trauerfeier für Ferdinand. Elia, Carlos und Ture wünschten es sich so, damit konnten sie dem Freund ihre Liebe besser beweisen, als wenn sie alles hinschmissen und zum Begräbnis nach München fuhren – das am gleichen Tag stattfand.
    Ehe die Vorstellung begann, trat Björn Eksell vor den Vorhang: »Ferdinand Schönbaum ist tot. Wir alle und die ganze Opernwelt haben einen großartigen Menschen und darüber hinaus eine betörend schöne Stimme verloren. Die Künstler, allen voran Elia Corelli, die an diesem Abend Abschied als festes Ensemblemitglied von uns nimmt, möchten die Aufführung dem Andenken ihres geliebten Freundes und Kollegenwidmen. Ich bitte sie herzlich, sich zu Ehren von Ferdinand Schönbaum zu erheben und in einer Schweigeminute seiner zu gedenken. Gott schenke ihm den ewigen Frieden.«
    Das Publikum erhob sich schweigend, während sich sachte der Vorhang öffnete, damit auch die auf der Bühne Versammelten, das gesamte ›Tosca‹-Ensemble mitsamt den Bühnenarbeitern, mit einbezogen wurde. Im Orchestergraben waren die Musiker aufgestanden.
    Es war totenstill in dem großen Haus. Von Sekunde zu Sekunde, durch die Gefühle, die Wünsche, entstand immer spürbarer, dichter eine innige, feierliche Energie. Sie füllte den Raum bis hinauf zur Decke und darüber hinaus und durchdrang jedes einzelne Herz der in Trauer vereinten Menschen. Und sie durchpulste vom ersten bis zum letzten Ton das schreckliche Bühnengeschehen, umgab es mit einer leuchtenden Aura. Etwas Einmaliges, Unvergessliches fand an diesem Abend statt.
    Auch Elia fühlte sich emporgehoben über die eigenen Zweifel, die Ängste. Nie hatte sie Tosca mehr geliebt, innigeres Mitgefühl mit ihr gehabt. Ihre letzten, aberwitzigen Worte funkelten vor Verzweiflung:
»O Scarpia, avanti a Dio« ,
es war, als steche Tosca noch einmal mit dem Messer auf Scarpia ein – bis er tot zusammensackte. Genauso lange hielt Elia dieses »Dio«. Alles Glück, alle Hoffnung war in Stücke zerschmettert, die krachten jetzt donnernd, zusammen mit Tosca, in die Tiefe.
    Aus völligem Schweigen hatte das Stück begonnen, nun, nach dem grässlichen Abschluss, herrschte erschrockene Stille. Und selbst, als sich die Erstarrung der Zuschauer zu lösen begann, wusste zunächst niemand so recht, ob man überhaupt klatschen sollte und durfte. Doch dann brach die Erregung durch und fegte jede Zurückhaltung weg, der Saal tobte und trampelte, und da der Vorhang zunächst geschlossen blieb, da man sich auch hinter der Bühne nicht entscheiden konnte, was man tun sollte, fingen die Zuschauer an, die Namen derSänger zu skandieren. Und weil das durchdringender klang, blieben sie bei den Vornamen: »Elia, Elia, Carlos, Carlos, Ture, Ture«, und immer wieder »Elia«.
    Sie liebten die junge Frau mit dem empfindlichen Herzen und der fabelhaften Stimme, sie wollten sich von ihr verabschieden und sie feiern. Als sich der Vorhang schließlich doch öffnete und die Sänger herauskamen, herrschte ein ähnliches Durcheinander wie bei Elias allererster ›Tosca‹, und von allen Seiten flogen Blumen. In Elias Augen standen längst wieder Tränen, ob aus Erschütterung, Erschöpfung, Trauer, Rührung, wer hätte es sagen können. Was für ein Abschied! Von Ferdinand. Von dem bergenden Stockholmer Haus. Und von der ›Tosca‹. Niemals mehr, so empfand es Elia, würde sie die Partie der Tosca singen.

Diva
    Sechs Jahre waren seither vergangen. Die Erschütterungen hatten Elia zu ihrer

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