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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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eigenen vier Wänden allein sein zu können. Denn wo immer sie hinkam, beruflich oder privat, sogar bei ihrer Mutter und Tante Ambrosia, stets war sie umgeben von anderen Menschen. Obgleich es die meisten herzensgut mit ihr meinten, ging ihr das manchmal auf die Nerven. Ausschlafen dürfen bisin den Nachmittag hinein, herumschlurfen mit zotteligen Haaren und stundenlang nicht den Mund aufmachen müssen, auch das konnte lustvoll sein.

    Ferdinands Tod und Elias Zusammenbruch, die aufgewühlten Zeiten danach, hatten bei Elia und Carlos Eigenschaften, Verhaltensweisen hochkommen lassen, von denen sie selbst kaum etwas geahnt hatten: Ihre Schutzbedürftigkeit und sein Bedürfnis, die Geliebte zu schützen. Dadurch waren sie einander noch nähergekommen. Aus einer leidenschaftlichen Liebesgeschichte war Liebe geworden.
    Elia hatte damals zwei Schutzengel gehabt, das wusste sie, Carlos und Mariana. Ohne ihren Beistand, ihren Trost, aber auch ihre Strenge, hätte sie sich womöglich nicht mehr auf eine Bühne getraut. Immer wieder hatte sie angefangen zu jammern: »Und wenn es wieder passiert? Warum soll es sich nicht wiederholen?« Mariana und Carlos hatten sie zwar verstanden, sie kannten ihre Neigung, sich voll zu verausgaben. Aber dann hatten sie ihr mit Engelsgeduld die Grundlosigkeit ihrer Befürchtung bewiesen, bis Elia zugeben musste, dass sie selbst nicht wirklich an eine Wiederholung glaubte. Absolute Sicherheit existierte sowieso nicht, für niemand, und schon gar nicht für einen Künstler. Wer ihr nachjagte, saß einer Vorstellung auf, die nur entmutigte und blockierte. Das Einzige, was man tun konnte, war, selbst für Ordnung zu sorgen, nach dem bewährten Motto: üben, üben, üben, so lange, bis man die Partie im Schlaf beherrschte.
    Carlos hatte auch weiterhin auf Elia aufgepasst, er diente ihr als wichtiges Regulativ. Wenn sie wieder einmal dabei war, sich über Gebühr in die exaltierte Gemütsverfassung einer ihrer Heldinnen hineinzusteigern, dann holte er sie, freundlich, aber bestimmt, aus diesem nicht ganz ungefährlichen Erregungszustand in die Wirklichkeit zurück. »Wenn du dich hier in Stücke schneidest, davon hat niemand was.«
    Ohne oberflächlich zu sein, nahm er das Leben gern von derheiteren Seite, das gehörte auch zu seinem Verständnis von Leichtigkeit. Er war viel verspielter, kindlich-naiver, als Elia zu Anfang gemerkt hatte, geblendet von der Weltläufigkeit des damals schon recht berühmten Kollegen. Das nahm seiner brillanten Schnelligkeit und entwaffnenden Schönheit die Schärfe und machte ihn noch liebenswerter. Selbst seine kleinen Schwächen, etwa seine unverhohlene Eitelkeit, wirkten dadurch charmant. Auch Elia fand es rührend, wie genüsslich er sich umschwärmen ließ. Er konnte sich baden im Erfolg und liebte den Applaus der Menge.
    Erst die von Carlos so hartnäckig gewünschte Südamerikatournee brachte die Liebesidylle etwas durcheinander. Schon die Hinreise war Elia nicht gut bekommen. Sie wäre gern mit dem Schiff gefahren, aber Carlos, der Weitgereiste, hatte das als zu langweilig befunden. So war Elia schließlich nach einer über vierundzwanzigstündigen Fliegerei, Warterei und Umsteigerei halbtot in Buenos Aires an Land gestolpert und hatte die angeblich gewonnenen Tage weitgehend damit verbracht, sich zu erholen. Was nicht wirklich gelang, weil ständig Freunde und Bewunderer von Carlos umherschwirrten und ihn einluden. Auch Elia konnte nicht umhin, gelegentlich auf eines dieser Essen mitzugehen. Manchmal fielen ihr die Augen zu, wenn nach immer neuen, fetten Vorspeisen endlich das wirklich köstliche Fleisch auf den Tisch kam.
    Dieser Trubel hielt auch während der Proben und später bei den Vorstellungen an. Carlos hätte diese Gesellschaftshudelei rasch abstellen oder einschränken können, doch er dachte gar nicht daran. Elia war noch nie neidisch auf Carlos gewesen, wenn sich, gerade in den Anfangszeiten, die Leute immer erst auf ihn stürzten. Er war eben schon länger im Opernzirkus dabei und bekannter als sie. Doch jetzt ärgerte sie sich zum ersten Mal über ihn: Merkte er nicht, wie sehr ihr diese aufdringlichen Verehrerinnen auf die Nerven gingen? Und wie gerne sie mehr mit ihm allein gewesen wäre? Aber offenbar brauchte er dieses Getümmel. Für Elia war alles fremd hier,auch der unermessliche Reichtum, der sich in den Palästen und Estancias vor ihr auftat. Kein Wunder, dass sich die verwöhnten Großgrundbesitzerinnen alles herausnahmen und Elia,

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