Im Schatten der Tosca
Kind gemacht. Jetzt tun Sie im Urlaub auch was Nützliches.«
Und so war Roberto dabei, als seine Teresa an einem kühlen Tag im Dezember 1942 einem Mädchen das Leben schenkte: der kleinen Elia. Das Kind kam mit einem schwarzen Haarschopf zur Welt. Und wo andere Neugeborene meist nur kümmerlich quarren und greinen, bekundete sie ihr Erscheinen mit weithin hörbarem, energischem Geschrei.
Die italienischen Soldaten tummelten sich inzwischen an mehreren Fronten, auch an der Seite der Deutschen. Aber das alles hatte sich bisher außerhalb des eigenen Landes abgespielt, in Russland, Afrika und anderswo. Im Frühjahr 1943 jedoch begannen die Alliierten, Sizilien und die süditalienischen Hafenstädte aus der Luft anzugreifen.
Hauptmann Barbaroli, als vorausblickender Mann, erkannte sofort, was das zu bedeuten hatte. Kurz entschlossen kommandierte er zwei Lastwagen samt ein paar kräftigen Mannen zu einem Sondereinsatz nach Rom ab. Zu Roberto sagte er: »Es geht los. Sie kommen angerollt. Irgendwann werden sie auf der Stiefelspitze landen. Mir soll es recht sein. Aber erst einmal müssen wir Frauen und Kinder in Sicherheit bringen.«
Auf diese Weise bekam Roberto kurz Frau Barbaroli zu Gesicht. Wie ein aufgescheuchtes Huhn sprang sie herum zwischen Kisten und Kasten: »Hierhin ... dorthin ... ich habe Ihnen doch gesagt . . .« Im Auto kreischte sie auf: »Ach, die Kinder«, worauf sich ein dickliches Kindermädchen mit den Kleinen im Fond auf die Klappsitze zwängte.
Unterwegs wurde bald der Mutter, bald den Töchtern schlecht. In stockdunkler Nacht erreichte man das Ziel, Signora Barbaroli wankte grußlos aus dem Wagen, die Kinder wurden hinterhergetragen, schon nach kurzer Zeit erschien Hauptmann Barbaroli wieder und ließ sich in den Fond fallen: »So, das hätten wir. Betrachten Sie das als einen dienstlichen Einsatz. Wenn Sie noch können, fahren Sie zum Standort zurück.« Bevor er einschlief, knurrte er noch: »Nehmen Sie sich drei Tage Urlaub und ein Fahrzeug. Wenn irgendwas die Amis zum Landen einlädt, dann der Golf von Salerno. Ich sage Ihnen, dann geht’s rund.«
Teresa murrte zunächst und hielt Robertos Sorgen für stark übertrieben: »Du weißt, wie eng es bei den Eltern ist. Wie stellst du dir das vor?« Aber Roberto insistierte: »Der Mann hat einen enormen Riecher. Womit glaubst du, hat der seine Millionen gemacht?«
Die kleine Elia verbrachte den ersten Sommer, Herbst und Winter ihres Lebens im Schatten uralter Zitronenbäume oder auf der Ofenbank, umschnurrt von der Katze. Auch das Wehen und Rauschen, das Grunzen und Gackern senkten sich ihr tief in die Seele. Die menschlichen Stimmen, der Duft der Kräuter, Blumen, Blüten, Früchte, der Erde und Tiere. Wenn sie später nur die Augen schloss, spürte sie die Stille eines endlosen blauen Sommers.
Teresa staunte schon bald über die prophetischen Gaben von Hauptmann Barbaroli. Von ihrem sicheren Nest aus beobachtete sie einen winzigen Ausschnitt des Kriegsgetümmels. Kriegsschiffe, die durch das blaue Wasser zogen und ab und zu Feuer spien, oder ein Bombengeschwader am Himmel, von dem bald die Bomben, nahezu proper in Reih und Glied, zu Boden fielen. Sie konnte nicht wegschauen, aber dann musste sie sich die Ohren zuhalten, obwohl sie den Einschlag nicht sah und nicht hörte. Um ihre Familie und sich selbst machte sie sich keine Sorgen: »Die Straße hier herauf ist so miserabel, da kommt keiner hoch, der nicht jedesSchlagloch und jeden Stein kennt«, hatte Roberto schon immer gesagt. Wenn sie an ihn dachte und an die Menschen drunten, wurde ihr ganz flau im Magen.
Roberto erlebte inzwischen ziemlich turbulente Tage. Nach Mussolinis Sturz setzte sich Hauptmann Barbaroli mit der Kompanie in den Süden ab. Angesichts der politisch konfusen Lage beschloss er abzuwarten: »Am besten, wir gehen allen aus dem Weg, den Deutschen, den Amerikanern, den Briten. Hier wie dort riskieren wir, dass sie uns gefangen nehmen oder uns zum Mitmachen zwingen, womöglich zum Kämpfen.« Erst nach der Kriegserklärung der Königlichen Regierung an die Deutschen befand er, jetzt sei der Augenblick gekommen, sich bei den Alliierten zu melden. Die übernahmen schnurstracks die gut ausgerüsteten, ortskundigen Italiener. Das Kämpfen besorgten sie lieber selbst, ganz geheuer waren ihnen die neuen Verbündeten nicht. Mochten die sich um den Nachschub kümmern.
Roberto machte bei der ersten Gelegenheit eine Stippvisite in Salerno. Die Altstadt sah übel aus, auch
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