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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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diesen Geruch und er legte keinerlei Wert darauf, diesem Geschöpf leibhaftig zu begegnen. Er lief schneller und passierte mit geduckten Ohren die Stelle, an der die Herde friedlich unter dem Mondschein in einer kleinen windgeschützten Schlucht graste.
    »Was ist los, Junge?« murmelte sein Reiter. Auch er schien jetzt schläfrig und nicht mehr recht bei der Sache. Der Graue fiel, nachdem sie die Herde hinter sich gelassen hatten, wieder in seinen stoischen Trab und stellte die Ohren nach vorn. Die Nacht gehörte wieder der Langeweile.
    »Ich sage dir, Junge, wenn ich's nicht müßte und wenn der Mond mich nicht so zappelig machen würde – nichts würde ich lieber tun, als jetzt in dem schönen breiten Bett zu liegen und diese Masse von Decken über mein Kinn ziehen.« Sein Reiter klopfte ihm den Hals und gähnte herzhaft. Sein Schlafmangel machte sich bemerkbar. Eigentlich war die ganze Unternehmung unsinnig, dachte er. Was hatte es für einen Zweck, wenn er Nacht für Nacht den Zaun untersuchte? In der Minute, da er sein Pferdchen wandte, konnten sie zuschlagen. Er fühlte sich gelähmt von Müdigkeit, Gleichgültigkeit und nüchternem Kalkül. Eben schon wollte er die Zügel anziehen, um den Grauen zu wenden, da schien ihm der Mond mit fast ungebrochener Kraft in die Augen und rüttelte ihn aus seiner Trägheit.
    In der Stille der Nacht hörte er im Näherkommen das Rauschen und Sprudeln des Baches, der den stillen See erschaffen hatte. Unwillkürlich verhielt er das Pony, als er das Klingen von Metall hörte. Gray Beard hatte es auch gehört, spürte die Aufmerksamkeit seines Reiters und blieb von allein stehen. Er atmete kaum. Da war die Abwechslung, auf die er gewartet hatte! Er hätte gern gescharrt, aber er wußte, daß das nicht am Platz war; er verhielt sich still und dehnte nur neugierig den Kopf nach den leisen Lauten, die da vorn klangen.
    Eric holte das Seil aus seinem Rucksack hervor und machte das Pony an einem Baum fest. Geschmeidig glitt er auf das leise Klingen zu, und jetzt hörte er in der Ferne dunkles Muhen, den hellen Laut von Kälbern und Hufgetrappel. Aber die Laute kamen nicht von der Cochan-Seite, sondern klangen, als entfernten sich die Tiere über das Gelände des Gestüts. Verwirrt schlich er näher.
    Da war eine Gestalt am Zaun, klein und schmal und ganz dunkel gekleidet. Als sie am Zaun fingerte, sah er sie im Profil, aber er konnten die Züge nicht ausmachen, denn sie waren von einer Skimaske verdeckt. Er schlich sich näher und wartete, bis die Gestalt dicht an ihm vorbeikam; dann schnellte sein Arm vor, seine Hand griff den Fußknöchel und brachte den Maskierten zu Fall. Triumphierend kniete er über seinem Opfer, das heftig strampelte und kleine hitzige Laute von sich gab, schob die Hand unter die Maske, riß sie fort und erstarrte. »Louise!«
    Das Haar fiel ihr wirr übers Gesicht, als sie fortfuhr, sich mit aller Kraft zu wehren. »Louise, Louise, hören Sie auf, ich bin's doch, Eric!« Er dachte, sie sei völlig verwirrt, da riß sie blitzschnell den Kopf herum und stieß gegen seine Hand vor. Ihre Zähne verfehlten ihn nur um Millimeter. Wütend packte er sie bei den Schultern und schüttelte sie, daß ihr Haar flog. »Kleine Bestie! Kommen Sie endlich zur Vernunft!«
    »Wenn Sie mich verraten, werd ich Ihnen was antun! Wenn Sie auch nur ein Wort sagen –« Sie hatte ihre kleinen Fäuste freibekommen und hämmerte gegen seine Brust. »Kein Wort zu Mutter oder Großvater!«
    Gütiger Gott, was für eine lächerliche Situation! Da hockte er nun rittlings auf dieser kleinen Wildkatze, mußte sein Gesicht vor ihren Hieben in acht nehmen und seine Hände immer wieder aus der Gefahrenzone ihrer Zähne ziehen; und das mitten in der Nacht in einem dunklen Wald. Er stand auf, packte sie, riß sie hoch und drückte sie an sich, ihre Hände mit einer Hand auf ihrem Rücken festhaltend, mit der anderen ihr Gesicht. Er drückte ihren Körper so fest an seinen, daß ihr die Luft knapp wurde und sie endlich still stand, keuchend und plötzlich zitternd. »Kein Wort!« wimmerte sie, »kein Wort, versprechen Sie's.«
    »Das weiß ich noch nicht.« Zögernd lockerte er seinen Griff. »Lassen Sie mich erst mal Ihre Geschichte hören.« Ihr Blick war über seine Schulter in das Dunkel gerichtet.
    »Wenn Sie jetzt wegrennen, werde ich Ihre Mutter tatsächlich fragen, ob Sie eine Ahnung davon hat, was ihre Tochter mitten in der Nacht am Grenzzaun zu schaffen hat. Wollen Sie das?«
    Sie riß

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