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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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und legte die andere leicht auf den hohen Widerrist; es gab ja keinen »Herrn« auf diesem Gestüt. Excalibur stand still und wandte ihm kurz den Kopf zu, blickte dann wieder nach seinen Stuten. Fast unmerklich schwang Eric sich auf den mächtigen Hengst, der während seines acht Jahre dauernden Lebens nie von menschlicher Hand berührt und niemals geritten worden war. Excalibur ging hoch, schlug aus; aber da war diese Stimme über ihm, die ihm Hafer gegeben hatte, diese starke, wohltuende Stimme, und freundliche, ganz sanfte Berührungen, wie er sie nie zuvor erlebt hatte. Er stand still und blickte sich um nach dieser Gestalt; sehr unschlüssig. Er mochte dieses Gewicht auf seinem Rücken nicht.
Eric genoß es, mit einem intelligenten Pferd zu tun zu haben, das niemals Ängste hatte ausstehen müssen, die es nicht begreifen konnte. Bei Excalibur galt es nur, ihn zur Mitarbeit zu veranlassen. Bei ihm mußten keine Traumata beseitigt werden. Er schob seine Hände unter die lange, windverwirrte Mähne des Hengstes. »Ich verlasse mich auf dich – bringen wir sie ein, Excalibur.« Sanft ermunterte er ihn durch Gewichtsverlagerungen, durch seine Stimme, zu Schritt, zu Trab, langsam die Senke hinunter, auf die Stuten zu, und schließlich schien der Hengst ihn vollständig auf seinem Rücken vergessen zu haben: worauf Eric mächtig schwindelig wurde, denn die blitzschnellen, schlangengleichen Manöver, die ruckartig ausgeführten Aufbäumungen, das heftig drohende Heranpreschen und abrupte Steilen über dem Genick einer widerspenstigen Stute, das geschickte Ausschlagen mit verkürzter Hinterhand eines Hengstes, der seine Stuten antreibt, hatte er nie erlebt – er hatte auf bockenden Pferden gesessen, die alle Tricks beherrschten, um sich des Reiters zu entledigen, doch dies war anders: er wurde durchgeschüttelt wie von einem Erdbeben, seine Schenkel gerieten immer wieder zwischen ineinander krachende Pferdeleiber, und nicht einen Augenblick lang war der Körper des Hengstes gerade unter ihm, sondern in einer ständigen Wellenbewegung, so daß er hin und her geschleudert wurde und sich manchmal nicht einmal mehr auf seinen sonst so ausgewogenen leichten Sitz verlassen konnte, sondern sich an der Mähne festklammern mußte.
Er verlor nicht den Kopf. Er mußte Excalibur beweisen, daß eine Zusammenarbeit zwischen Hengst und Mensch nicht nur möglich, sondern erstrebenswert ist. Excalibur hätte sich, nachdem er den ganzen Eimer leer gefressen hatte, leicht entscheiden können, seine Schützlinge wieder weit in die Ferne zu bringen; darum verwandte er sein ganzes reiterliches Geschick darauf, daß der Hengst die Stuten tatsächlich nach Sunrise-House trieb. Dies war das härteste Stück Reitarbeit, das er je geleistet hatte; sein Meisterstück.
Er war mehr als zufrieden, als er auf dem Rücken des großen Hengstes hinter der letzten Stute in die Koppel trabte, aber auch froh, wieder auf seine eigenen zwei Beine zurückgleiten zu können, im Bewußtsein, daß ihm sämtliche Muskeln gezerrt worden waren.
»Eric!« Emily war plötzlich außerhalb der Koppel, und Excalibur warf den Kopf kampflustig auf. »Sie haben die Pferde wunderbar eingebracht – denken Sie, Sie könnten uns helfen, sie auch in den Stall zu bringen?«
Eric hielt Excalibur die leere Handfläche vor die Nase. Der Hengst schauderte, schnaubte, stieg: Die Kraft des Pferdes forderte die seine einmal mehr heraus, ein vibrierender, zerreißender, stummer Kampf der Willen, in dem ungestüme Vorderbeine um ihn wirbelten und Schaumflocken um ihn flogen und furchteinflößendes Schnauben seine empfindlichen Ohren lautstark, zornig, drohend erfüllte. Eric blieb ruhig. Er kannte das seit Kindesbeinen – fliegende Pferdehufe um ihn herum, steilende Pferde, die sich seinem Willen widersetzen wollten. »Laß das«, sagte er dunkel, als der Hengst unmittelbar vor ihm seine Vorderläufe niederkrachen ließ, und gab ihm einen kurzen Schlag auf den Hals. Excalibur schnaubte heftig, streckte ihm dann aber den Kopf entgegen. Sein Maul fuhr prüfend und auch verspielt an Erics Kleidung auf und ab; plötzlich nahm er einen Hemdknopf zwischen seine Zähne und versuchte, ihn abzubeißen. Darauf gab es einen Klaps auf seine rechte Wange. »Dummer Kerl! Willst du sterben an so was? Excalibur!« Er schnaubte, aber nicht eigentlich wütend, sondern stand still und schien zu überlegen. »Kommst du«, sagte Eric dann ruhig und schob die Rechte unter sein Kinn. Excalibur folgte ihm.

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