Im Tal der bittersüßen Träume
zitterten, als er das bauchige Glas zum Mund hob.
»Evita ist heute sehr fröhlich«, sagte Dr. Högli so deutlich, als stände er neben Paddy. »Lassen Sie ihr diese Freude. Morgen können Sie Ihre Gemeinheiten wieder anbringen.«
»Es ist keine Gemeinheit, Doktor.« Paddy winkte Lagarto mit dem Kopf von der Bar weg. Dabei hielt er die Sprechmuschel zu. »Ihr Schwiegersohn, Lagarto. Wollen Sie ihn hören?«
»Nein!« sagte Lagarto. »Vielleicht nach Evita … vielleicht …«
»Ich habe eine echte Überraschung, Doktor«, sprach Paddy weiter. »Ihre Frau würde es Ihnen bestimmt übelnehmen, wenn Sie sie ihr vorenthielten.«
Wieder eine Minute Warten, dann erklang endlich Evitas Stimme. Lagarto zuckte heftig zusammen, als er sie aus dem Telefon hörte.
»Hier bin ich, Mr. Paddy.«
Paddy gab wortlos den Hörer an Lagarto weiter. Der holte tief Atem und hielt das Telefon mit beiden Händen umklammert.
»Evita –«, sagte er heiser vor Erregung. »Evita –«
»Vater!«
Ein Wort, ganz nüchtern ausgesprochen, nicht erstaunt, kein erlösender Aufschrei, nichts von der töchterlichen Liebe, die ihn so stolz gemacht hatte. Ein Wort wie jedes andere: Vater.
Dann war Schweigen. Lagartos Atem ging mühsam. Evita mußte es hören, aber sie reagierte nicht. Was Lagarto nicht sehen konnte: Sie lehnte sich an Dr. Högli, hatte die Stirn gegen seine Brust gedrückt und biß sich auf die Lippen, um nicht laut zu weinen.
»Bist du noch da, Evita?« fragte Lagarto, als die Qual dieses Wartens unerträglich wurde.
»Ja.«
»Ich bin hier bei Mr. Paddy.«
»Du bist also der neue Fremde?«
»Ja.«
»Was willst du hier? Hast du Paddy nun selbst den Scheck gebracht für das Meskalin?«
»Evita!« Lagarto mußte sich gegen die Wand lehnen, seine Knie gaben nach. »So darfst du nicht fragen. Ich will dir alles erklären …«
»Handelst du mit Meskalin oder nicht?« Lagarto zuckte zusammen. Evitas Stimme überschlug sich. Sie schrie ins Telefon, und plötzlich traf ihn die ganze Qual der Erkenntnis, daß er keine Tochter mehr hatte.
»Ja oder nein?« schrie ihn Evita an. »Hast du meine Erziehung mit Meskalin bezahlt? Meine Kleider, meinen Schmuck, meine Autos, meine Reisen, alle meine Wünsche? Heiße ich in Wirklichkeit Evita Lagarto de Meskalin? Ja oder nein, Vater?«
»Evita!« stöhnte Lagarto. »Das Leben ist nicht so einfach. Hör mich an. Laß uns zusammenkommen. Ja oder nein … so arm ist das Leben nicht.«
»Es ist so arm. Ich habe es kennengelernt. Und ich lebe in dieser Armut und bin glücklich wie nie in meinem Leben! Fahr zurück nach El Paso, Vater … Fahr zurück – und leb wohl …«
Es knackte in der Leitung. Lagarto schüttelte den Hörer und verlor den letzten Rest seiner Beherrschung. »Evita!« brüllte er heiser. »Hör mich doch an! Evita! Das kannst du nicht machen! Ich bin doch dein Vater! Du kannst doch nicht einfach sagen: Ich habe keinen Vater mehr! Evita!«
Paddy entwand ihm mit Gewalt das Telefon und stellte es weg. Dann stieß er Lagarto in einen Sessel und drückte ihn an den Schultern hinunter, als er wieder aufspringen wollte.
»Benehmen Sie sich wie ein Mann!« schrie er. »Glauben Sie, ich bin ein Stein, wenn ich an Matri denke? Haben Sie eine andere Reaktion erwartet? Ich habe Ihnen doch gesagt: Mit Dr. Högli verheiratet zu sein, ist keine Bettgeschichte, sondern eine Weltanschauung! Dagegen müssen wir etwas tun!«
»Ich kann doch meine Tochter nicht vernichten, Paddy«, stammelte Lagarto. Er war völlig gebrochen.
»Dann vernichtet sie uns! Was wollen Sie?«
»Ich habe genug Geld, Sie haben genug … warum dieser Kampf?«
»Um Ihre von Höglis Idealen verdorbene Tochter zurückzuholen, müßten Sie alles, was Sie durch Meskalin erworben haben, verschenken. Am besten einer Stiftung zur Rettung Süchtiger.«
»Und wenn ich das tue?« sagte Lagarto.
»Der Geruch bleibt haften, Lagarto. Wir müssen uns – so schwer es ist – daran gewöhnen, ohne unsere Töchter zu leben.«
»Nie, Paddy, nie!« Lagarto griff nach dem Kognakglas. »Ich stelle mein ganzes Leben um. Ich kann ohne Evita nicht weiterleben. Ich habe doch nur für sie gearbeitet.«
»Die übliche Rede aller Väter. Randvoll mit Heuchelei. Seien Sie doch ehrlich: Sie haben sich am Geld und an der Macht berauscht! Und Ihre Tochter war das Aushängeschild. Sie war Ihre Krone, die Sie täglich polierten. Verdammt, man kann auch weiterleben ohne diese Schau!«
»Ich nicht, Paddy, ich nicht! Ich gebe alles auf,
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