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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wenn ich Evita dadurch überzeugen kann. Schon morgen fange ich damit an!«
    »Da bin ich gespannt.« Paddy trat an das große Fenster. Draußen war schwarze Nacht. Aus dem Felsentrichter tönte leise der Gesang der Indios von Santa Magdalena. Im Tal mußte das dröhnen. Ein ganzes Dorf war im Taumel und berauschte sich an der letzten Freude, bis mit dem Morgen wieder das langsame Sterben begann. Der große, alles vernichtende Durst.
    In dieser Nacht schlief Paddy kaum. Auch Lagarto saß aufrecht im Bett und starrte in die Dunkelheit. Sie hörten die Capatazos zurückkommen, die Frauen, die geschmückten Wagen. Singend zogen sie in die Hacienda. Ihr Lachen füllte die Nacht, bohrte Löcher in die Gehirne von Paddy und Lagarto.
    Dann sahen sie den Morgen dämmern, den Sonnenaufgang, den Beginn neuer Glut, das Erwachen des strahlenden Todes.
    Vor dem wieder geschlossenen Palisadentor lagen neue Leichen, als Paddy und Lagarto zum Frühstück auf der Terrasse erschienen. Nur drei Körper, aber sie sahen anders aus als die Verdursteten. Auch die Indios fehlten, die sonst als Totenwache am Zaun hockten. Dafür waren die Geier da und kreisten über den Leichen. Am Tor standen zwei Capatazos. Sie hatten sich nasse Tücher vor den Mund gebunden.
    Ein neuer Tod nahm von Santa Magdalena Besitz.
    Die Cholera.
    Im Hospital, in Dr. Höglis Arbeitszimmer, fand an diesem Morgen eine Besprechung statt. Pater Felix war gekommen, und zum erstenmal hatte ihn sein galliger Humor verlassen. Wie kritisch die Situation war, ging schon daraus hervor, daß man sogar Pierre Porelle aus dem Bett geholt hatte. Unter lautem Protest hatte man ihn weggetragen, zwei kräftige Pfleger nahmen ihn einfach unter den Achseln hoch. Er schrie, die Augen weitgeöffnet vor Entsetzen: »Mörder! Gemeine, feige Mörder! Einen Wehrlosen töten! Hilfe! Hilfe!« Erst als er sah, daß man ihn zu Dr. Högli trug, wurde er still. Jetzt hockte er auf einer Stuhlkante, auf dem kleinen Fleck seines Hinterns, der von den Kakteenstacheln verschont geblieben war. Evita servierte Getränke: für jeden zwei Schlucke schales, abgekochtes Wasser. Eine Köstlichkeit! Etwas abseits standen Juan-Christo und Matri, Hand in Hand.
    »Ich habe Sie kommen lassen, Porelle«, sagte Högli, und seine Stimme war ungewöhnlich hart, »um Ihnen die Wahrheit zu sagen, die wir hier alle kennen. Die Lage ist verzweifelt. Wenn wir nicht verdursten oder in den nächsten Tagen von den Indios erschlagen werden, weil Paddys Wasser ihnen dann wichtiger sein wird als die Medizin und der liebe Gott, werden wir an der Cholera krepieren!«
    »Cholera?« Porelles Gesicht drückte maßloses Entsetzen aus. »Wieso Cholera?«
    »Antonio Tenabo hat es zuerst erwischt. Jetzt haben wir im Dorf schon vierzehn Fälle! Drei Tote liegen vor Paddys Burg, die anderen werden folgen.«
    »Warum tun Sie nichts?« rief Porelle. »Wozu haben Sie hier ein Hospital?«
    »Ich habe keine Medikamente, Porelle! In neun Tagen fällt auch der Strom aus. Dann ist das Benzin zu Ende für die Generatoren. Paddy hat den Strom abgestellt, hat das Telefon und die Straße gesperrt. Aber das wissen Sie ja alles!«
    »Und was kann ich dafür?« schrie Porelle.
    »Sie sind ein Vertreter jener Macht, die dafür verantwortlich ist.« Pater Felix nippte an seinem Glas. Einen Schluck Wasser, im Gaumen rollen lassen … die ausgetrocknete Gaumenhaut saugte es auf wie ein Schwamm. »Zuerst war es Paddy, aber jetzt ist auch er nur eine Marionette! Was mit Rick Haverston passiert ist, wissen Sie – aber Sie leben! Sie sind ein Teil dieser ›Organisation‹, und wenn Sie jetzt nicht eine Verbindung nach draußen herstellen, verrecken Sie elend wie die Indios! Das garantieren wir Ihnen!«
    »Sie verrecken auch, Pater!« sagte Porelle heiser.
    »Ich habe mein Leben bereits in Gottes Hand gegeben.«
    »Blödsinn! Auch Sie haben Angst vor dem Sterben wie wir alle! Sie sind kein Übermensch!« Er sah die anderen an, seine Augenlider flatterten. »Was wollen Sie von mir? Ich kann doch auch nichts tun.«
    »Sie könnten aus dem Tal hinaus und in Nonoava oder Chihuahua eine Hilfsaktion in Bewegung bringen«, sagte Dr. Högli. »Sie wird Paddy hinauslassen.«
    »Natürlich!« Porelle lachte gequält. »Aber was ist draußen? Freiheit? In welcher Welt lebt ihr denn? Ich habe versagt, Messieurs … Ich bin hierhergeschickt worden, um einen verrückten Priester und einen in Idealen schwimmenden Arzt nach ›Art des Hauses‹ zu überzeugen, daß sie falsch

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