Im Tal der bittersüßen Träume
Leib, die Beulen und Blutergüsse ab. Ein paarmal stöhnte Juan auf, aber auf eine innere Verletzung wies nichts hin.
»Mit deinem Vater wirst du noch deine Mühe haben«, sagte er. »Du hast ihn um einige hunderttausend Dollar Nebenverdienst gebracht.«
»Ich werde ihm ein Ultimatum stellen, Riccardo.«
Dr. Högli sah Evita von der Seite an. Ihr schmales, aristokratisches Gesicht sah hart und kantig aus. Diese Frau hatte einen eisernen Willen, aber es war anzunehmen, daß der clevere Señor Lagarto sich davon kaum beeindrucken ließ.
»Ich kenne deinen Vater nicht«, sagte Dr. Högli. »Aber wer solche Geschäfte macht, wird sich von einem Mädchen nicht dazwischenreden lassen.«
»Ich bin seine Tochter. Sein einziges Kind!«
»Und auf der anderen Seite stehen Millionen Dollar. Was wiegt mehr?«
»Das werden wir sehen!« Evita warf den Kopf in den Nacken. Ihr spanischer Stolz umgab sie wie ein glänzender Panzer. »Er wird sich entscheiden müssen. Selbst Paddy verändert sich, wenn es um Matri geht. Und sie ist nur sein Pflegkind.«
»Matri!« Juan-Christo hob mühsam den Kopf. Seine Augen waren zugeschwollen und lagen in dicken, blutigen Wülsten. »Wo ist Matri? Hat der Teufel sie wieder in seiner Gewalt?«
»Traust du Pater Felix das zu?« Dr. Högli drückte Juan auf den Tisch zurück. »Matri hat sich unten im Keller versteckt.« Er wandte sich um und winkte ab, als Evita etwas sagen wollte. Dann ging er zur Tür der Sakristei und lauschte.
Aus der Kirche kein Laut. Nach dem Abbruch des Harmoniumspiels war die Stille unheimlich und drohend.
»Geh nicht hinaus«, sagte Evita wieder leise. »Bitte, Riccardo!«
Sie bückte sich, nahm den Revolver vom Boden und steckte ihn in ihren Rockbund.
»Und wenn Paddy jetzt die Tür aufstößt?« sagte Dr. Högli.
»Dann laß ihn. Er will ja nur Matri und mich.«
»Und genau das bekommt er nicht!«
Keiner hätte geglaubt, daß Dr. Högli so hart sein konnte.
Pater Felix klappte den Deckel zu, griff nach seiner Maschinenpistole, legte sie über seine Knie und drückte den Sicherungsflügel herum. In der Kirchentür war Jack Paddy erschienen.
Allein kam er, seine sonst so willige Spezialtruppe blieb draußen in der sengenden Sonne stehen. Pater Felix sah nur eine Mauer aus großen Sombreros.
Und noch etwas geschah, was Pater Felix nie für möglich gehalten hätte. Paddy nahm, als er das Kirchenschiff betrat und durch den Mittelgang direkt auf das Marienbild blicken konnte, seinen Hut ab.
»Ist Ihnen unwohl, Señor?« fragte Pater Felix ruhig.
Paddy blieb stehen. »Nicht vor Ihnen nehme ich den Hut ab, Pfaffe!« rief er. »Verdammt, das ist noch ein Rest meiner Erziehung. Es soll auch das letztemal gewesen sein. Ich will mit Ihnen reden, Pater.«
»Bitte. Im Hause Gottes kann jeder Mensch alles sagen.«
»Verzichten Sie auf alberne Floskeln, Pater!« Paddy setzte sich auf eine der Betbänke. »Ich will nur eine Frage stellen: Was bringt uns unsere Todfeindschaft ein?«
»Ruhe und Ordnung in Santa Magdalena. Soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde, auch für die Indios. Zerstörung der Hanf- und Peyotl-Felder …«
»So blöd kann nur ein Priester reden! Wovon sollen die Indios denn leben, he? Sollen sie Steine fressen und aus Sand Kuchen backen? Wer ernährt sie denn? Und zwar besser als Tausende ihrer Landsleute? Wer schafft Gemüse und Kartoffeln, Mais und Fleisch heran? Was wären diese Menschen ohne meine Kühlhäuser? Zugegeben, die Arbeit ist schwer, die Rationen sind knapp, der Lohn ist mies … Aber was tut die Regierung für die Indios? Hat sie vielleicht ein Sozialprogramm, so ein verrücktes, wie Sie's immer von der Kanzel fordern? Hier wird sich jeder selbst überlassen, und ich sage Ihnen, Pater: Ohne Jack Paddy wäre Santa Magdalena eines der vielen abgelegenen Indiodörfer, nach dem kein Hahn kräht und das eines Tages ausgestorben sein wird, wie Tausende solcher Nester. Und die Menschen hier? Sie würden in die Städte ziehen, in den Fabriken arbeiten, in Slums hausen, am Rande der Menschheit dahinvegetieren, bettelnd und stehlend, ein verfaulendes Proletariat! Ist das Ihr himmlischer Sozialismus?«
»Señor Paddy, ich antworte Ihnen darauf nicht«, sagte Pater Felix. »Sie wissen ganz genau, welchen Blödsinn Sie reden.«
»Hier hat jeder sein Haus, sein kleines Stück Land, sein bißchen eigenes Vieh, Ziegen und Hühner …«
»Und seit Monaten kein Wasser!«
»Das ist etwas anderes.« Paddy grinste breit. »Das handeln Sie mit
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