Im Tal der bittersüßen Träume
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Pierre Porelle hängte grußlos ein, Paddy brüllte in den stummen Apparat alle Flüche, die ihm einfielen, und das war eine ganze Menge. Genau in diesem Augenblick meldete man von der Straße, Evita Lagarto versuche, den Talkessel zu verlassen.
»Nicht schießen!« sagte Paddy in das Sprechfunkgerät. »Ihr werdet doch wohl noch auf höfliche Art eine Señorita am Weiterfahren hindern können! Benehmt euch wie echte mexikanische Caballeros. Und bringt mir die Señorita unversehrt hierher! Ich will, daß sie wie eine Dame behandelt wird …«
Unterdessen fuhr Pater Felix mit unverminderter Geschwindigkeit die Straße hinauf. Er wunderte sich über die Stille in den Bergen. Nach seiner Meinung hätte man ihn längst beschießen müssen. Die Stelle, an der man vor einigen Tagen seinen Jeep unter Feuer genommen hatte, hatte er längst passiert.
Er holte die Pistole aus dem Handschuhfach, legte sie neben sich auf den Sitz und beobachtete die zerklüfteten Bergwände zu beiden Seiten, soweit ihm der aufwirbelnde Staub dazu Gelegenheit gab. Die Stille wurde ihm unheimlich; er bereitete sich darauf vor, in einen Hinterhalt zu geraten. Für diesen Fall hatte er die ungeheuren Reserven von 255 PS unter der Kühlerhaube. Ein Druck auf das Gaspedal, und der Wagen mußte vorwärtsschießen wie eine Rakete.
Aber nichts geschah. Ließ Paddy die Tochter seines Geschäftsfreundes ungehindert passieren? Hatte er mit Lagarto gesprochen? Wartete das gute Väterchen irgendwo da draußen auf die Rückkehr seines zauberhaften Töchterchens aus der Hölle von Santa Magdalena?
Pater Felix kam nicht mehr dazu zu überlegen, was er Lagarto sagen könnte, wenn der ihm gegenüberstehen und sehen würde, wie statt Evita ein Priester in Frauenkleidern aus dem Wagen stieg. Vor ihm, am Straßenrand, stand ein knochiger Esel, ein kleiner zerlumpter Indio winkte mit beiden Armen, er winkte in wilder Verzweiflung, und neben dem Esel lag eine Frau, krümmte sich, hielt sich den Leib, bäumte sich vor Schmerzen auf.
Man kann nicht über seinen Schatten springen, man kann ihm nur nach- oder davonlaufen. Auch Felix Moscia dachte bei diesem Anblick nicht mehr daran, daß er um jeden Preis durchbrechen wollte. In diesem Augenblick war er nur Priester.
Er bremste sofort, sprang aus dem Wagen und rannte zu der laut wimmernden Frau. Dabei verlor er sein Kopftuch, und das war der Augenblick, da der kleine, zerlumpte Mexikaner sein Winken aufgab und die jammernde Frau sich lang auf den Boden streckte und Pater Felix aus entsetzten Augen ansah.
Die Señorita war der Padre! Gott verzeiht uns alles – aber ob er das verzeihen kann …?
»Gelobt sei Jesus Christus …«, stammelte der kleine Mexikaner neben seinem halb verhungerten Esel. Dann bekreuzigte er sich und griff in seinen Gürtel.
»In Ewigkeit. Amen!« antwortete Pater Felix.
Es waren seine letzten Worte an diesem heißen Mittag. Ein harter Schlag auf seinen Hinterkopf ließ ihn in die Knie fallen, ein zweiter Schlag betäubte ihn endgültig. Aber bevor er in die Schwärze versank, erkannte er noch, daß die Frau – wie er selber – ein Mann in Weiberkleidern war … Und er begriff sogar noch etwas von dem makabren Humor dieser Situation …
Der kleine Mexikaner stierte auf den besinnungslosen Pater und holte dann mit zitternden Fingern aus dem Deckensattel seines Esels das Funksprechgerät. »Wir haben die Señorita«, sagte er, als sich Paddy knurrend meldete. »Es … es geht ihr gut. Sie ist nur ein bißchen ohnmächtig.«
»Sofort hierher!« Paddy schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wie konnte das passieren? Warum habt ihr sie so erschreckt?«
Der kleine Mexikaner verzog das staubige Gesicht und starrte auf den leblos vor seinen Füßen liegenden Pater Felix.
»Es war umgekehrt, Patron«, stotterte er. »Sie hat uns erschreckt. Sie werden es selbst sehen, Patron …«
Er schaltete das Sprechgerät ab, um vor Paddys weiteren Fragen sicher zu sein.
Die Ankunft der ›Señorita Lagarto‹ auf der Hacienda war eine Sensation. Selbst Paddy war sprachlos, als er Pater Felix in Evitas Kleid auf dem Hintersitz des weißen Wagens liegen sah. Vorn hockten die beiden Mexikaner und grinsten verlegen. Den Esel hatten sie einfach zurückgelassen; er trottete jetzt gemütlich heimwärts, hinunter nach Santa Magdalena, wo man ihn bei irgendeinem Indio, ohne groß zu
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