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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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rotbemalte Gesicht, das blaugefleckte Kleid und der grüne Körper … Es war eine höllische Vision.
    Pater Felix Moscia stieß sich mühsam von der Hauswand ab. An seinen Beinen lief die grüne Farbe als zäher Brei herunter.
    »Kann ich jetzt gehen?« fragte er Paddy.
    Paddy nagte an der Unterlippe. Sein Triumph wurde zu einer grandiosen Niederlage. Er erkannte es plötzlich.
    Langsam ging Pater Felix die Treppe hinunter. Die Capatazos wichen zurück, zogen ihre breitkrempigen Hüte und senkten den Kopf. Ruhig ging Felix weiter, den Kopf hoch erhoben, ein wandelnder Farbklecks, und zu jedem, an dem er vorbeischritt, sagte er ebenso ruhig: »Gnade sei mit dir! Gnade sei mit dir …«
    »Fünfhundert Dollar für den, der ihn erschießt!« schrie Paddy hysterisch von der Terrasse. Er beugte sich über das hölzerne Geländer und trat mit den Stiefeln gegen die Brüstung. Seine Stimme überschlug sich. »Tausend Dollar! Tausend Dollar und einen Monat Urlaub auf meine Kosten am Meer! Erschießt ihn doch! Erschießt ihn endlich!«
    Ohne den Schritt zu verzögern, den Blick geradeaus, ging Pater Felix weiter. Das Tor in der Mauer stand weit offen, oben auf den Wachttürmen starrten ihn die Posten entgeistert an, sie hatten die Gewehre in den Händen, sie konnten sich tausend Dollar und einen Monat Urlaub am Meer verdienen, aber keiner hob die Waffe und zielte auf diese buntbemalte Menschenpuppe.
    »Zweitausend Dollar!« brüllte Paddy. »Ich erhöhe auf zweitausend Dollar! Dreitausend Dollar! Das sind siebenunddreißigtausendfünfhundert Pesos! Wer ihn erschießt, ist ein reicher Mann! Er braucht nicht mehr zu arbeiten! Warum erschießt ihn denn keiner? Ich biete dreitausend Dollar!«
    Antonio Tenabo hatte seinen Revolver bereits gezogen, als Paddy tausend Dollar schrie. Aber er konnte ihn nicht heben. Hinter ihm, in der Tür des Salons, stand der Hausboy Paddys und zielte mit einer Schrotflinte auf Antonios Magen, als sich Tenabo zufällig umdrehte. Da verzichtete auch Antonio auf Reichtum und steckte den Revolver ins Halfter zurück.
    Langsam verließ Pater Felix die Hacienda, das Tor klappte hinter ihm zu. Draußen empfingen ihn die Indios, nahmen ihn in ihre Mitte, hoben ihn auf einen Esel und führten ihn zum Dorf zurück. Ein paar schnelle Läufer rannten voraus und meldeten das Ereignis. Auch zum Hospital rannten sie und alarmierten Dr. Högli. Er hatte die Kaiserschnitt-Operation gerade hinter sich, stand am Waschbecken und seifte sich die Arme ab. Mit Evita und Juan-Christo sprang er sofort in seinen Jeep und raste ins Dorf.
    Sie trafen Pater Felix, als er gerade über den Marktplatz ritt, umringt von seinen Indios, die heulende Laute ausstießen wie geprügelte Hunde.
    »Sind Sie verletzt, Felix?« schrie Högli und boxte sich durch die dichtgedrängte Menschenmenge. »Kommen Sie, wir tragen Sie in den Wagen …«
    Pater Felix stieg von dem kleinen Esel. Der Rücken des Tieres war grün und blau bekleckst. Die Farben auf Felix' Körper waren angetrocknet und glänzten in der glühenden Sonne.
    »Haben Sie vielleicht Terpentin im Krankenhaus?« fragte er den Doktor.
    »Natürlich nicht!«
    »Was soll ich dann bei Ihnen? Mir fehlt nichts. Und das bißchen Farbe, ich bitte Sie, Doktor, das Leben ist so grau, da tut etwas Farbe Wunder.«
    Er ging hinüber zur Kirche, schrecklich in seiner Farbigkeit anzusehen, drückte die Kirchentür auf und wandte sich noch einmal um. Aber die Kirche konnte er nicht mehr betreten.
    Auf der Schwelle fiel er in sich zusammen und riß sich mit beiden Händen das Kleid vor der Brust auf. »Luft! Luft! Mein Gott, gib mir Luft!«
    »Er erstickt!« brüllte Dr. Högli. »Juan! Schnell!«
    Sie rannten zur Kirche, rissen Pater Felix hoch, warfen ihn in den Jeep und rasten mit ihm davon. Evita blieb zurück, eingekeilt zwischen den Indios, von mißtrauischen Augen betrachtet, und dann war sie allein, stand vergessen vor der Kirche, einsam in der sengenden Sonne, und begriff plötzlich, was Dr. Högli gemeint hatte, als er sagte: »Hier mußt du dein eigenes Leben wegwerfen und dir ein neues aus Staub und Steinen backen.«
    »Ich will!« sagte sie laut. »Mein Gott, ich will es!«
    Dann rannte sie durch den heißen Staub quer durch das Dorf zurück zum Krankenhaus. Soviel wußte sie, daß ein Mensch unweigerlich ersticken muß, wenn ein bestimmter Prozentsatz seiner Haut nicht mehr durch die Poren atmen kann.
    Pater Felix' Körper war fast vollständig von der luftundurchlässigen Ölfarbe

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