Im Tal der bittersüßen Träume
war.
Und Paddy wußte davon! Paddy mit seinem verdammten Meskalin, an dem auch der ehrenwerte spanische Grande Miguel Lagarto Millionen Dollar verdient hatte – derselbe, der seine ahnungslose Tochter mit einer neuen Bestellung und einem Scheck in diese Hölle geschickt hatte.
Über Lagartos Gesicht rannen Tränen – es war nicht nur der Fahrtwind und der beizende Sand, die in seinen Augen fraßen. Doch Tränen sind billig, und Lagarto empfand auf dieser fürchterlichen Straße einen winzigen Teil des Schmerzes, den Tausende erlitten, Tag für Tag, denen das Meskalin, diese Zauberdroge des Teufels, das Leben zerstörte.
Hinter dem dritten Warnschild wurde Lagarto gestoppt.
Drei Mexikaner hielten ihn auf, mit einem dünnen Baumstamm, den sie quer über die Straße gelegt hatten. Kein sonderlich beeindruckendes Hindernis, aber doch so beschaffen, daß man nicht darüberhüpfen konnte.
»Wohin, Señor?« fragte einer der düster dreinblickenden Männer, kurz angebunden, und doch höflich.
»Zu Mr. Jack Paddy«, antwortete Lagarto. Seine geröteten Augen starrten die Männer an. Sind es die? Haben die meine Evita umgebracht? Sehen sie wie Mörder aus?
»Sind Sie angemeldet?«
Lagarto zuckte zusammen. »Ja. Mr. Paddy weiß Bescheid.«
»Sie kommen aus den USA?«
»Ja, aus El Paso.«
Die drei Mexikaner sahen sich an. Ihre braunen Gesichter versteinten. »Passieren!« sagte einer von ihnen. »An der Kreuzung geht es links zur Hacienda, verstanden?«
Lagarto nickte. »Ja! Ja!« Er gab Gas und raste weiter. Der Schmerz um Evita pulsierte bei jedem Herzschlag wie ein Feuerstrom durch seinen Körper und blockierte sein Gehirn. Ich werde wahnsinnig, dachte er und weinte wieder. Es gibt keinen zweiten Vater, der seine Tochter so liebt wie ich. Dieses herrliche Kind! Dieses schönste aller Kinder! Was haben sie mit ihr gemacht …
Neben dem Baumstamm hockten wieder die Mexikaner unter einem Schutzdach aus ausgespannten Decken. Einer hatte ein Sprechfunkgerät vor dem Mund und gab die Meldung durch:
»Achtung! Achtung! An alle! Ein neuer Americano kommt nach Santa Magdalena! An alle! Achtung! Ablösung für Rick Haverston! Schützt den Doktor und die Doktora! Alarm für alle! Wenn er im Dorf erscheint, soll sofort geschossen werden.«
Es war wirklich nur ein Zufall, daß Lagarto nach links abbog und nicht geradeaus weiterfuhr. Er sah kaum noch etwas; Sand und Tränen hatten über seinen Augen eine Kruste gebildet. Aber er erkannte in dem blutigen Sonnenuntergang die lodernden Feuer auf dem Dorfplatz, einen Kirchturm und eine Ansammlung vieler Menschen. Er hörte Musik und Gesang und meinte, viele Gestalten zwischen den Feuern tanzen zu sehen. Dann war das alles verschwunden, er sah wieder nur kahle Felsen und das Band der gewalzten Straße unter sich, die zu Jack Paddy führte. Er war links abgebogen, ohne es zu merken.
Als ihm das klar wurde, bremste er und wandte den Blick zurück.
Was kann mir Paddy schon sagen, durchfuhr es ihn. Dort unten, im Dorf, liegt das Geheimnis von Evita. Dort gibt es eine Kirche, als auch einen Pfarrer. Und dort soll ein Dr. Högli leben, ein Schweizer Arzt mit einem eigenen Hospital. Sieht so die Hölle aus? Wenn jemand über Evita etwas berichten kann, dann nur der Pfarrer und der Arzt.
Doch bevor er umdrehen konnte, hallte ein Schuß aus der beginnenden Dunkelheit und traf knapp vor dem Kühler des Jeeps die Straße. Der Schütze mußte irgendwo in den zerklüfteten Felsen sitzen und jede Bewegung genau beobachten.
Miguel Lagarto fuhr weiter, Richtung Hacienda. Niemand hinderte ihn mehr.
Also doch das Dorf, dachte er grimmig. Also doch!
Von diesem Augenblick an war er überzeugt, daß Evita nach Santa Magdalena gekommen war – und daß Paddy ihn schamlos – oder aus Angst – belog.
Die Hacienda schien verlassen, das Tor stand weit offen, kein Mensch zeigte sich, als Miguel Lagarto heranbrauste und vor dem langgestreckten, weißen Herrenhaus bremste. Das Schweigen, noch verstärkt durch die dumpfe Dämmerung, die dem flammenden Sonnenuntergang gefolgt war, war bedrückend. Es war jener farblose Übergang zur Nacht, der die Welt fahl und verfallen macht und jede Form verändert.
Lagarto sprang aus dem Jeep und sah sich um. Sieht aus, als seien sie alle geflohen, dachte er. Offene Türen im Mannschaftshaus, die Ställe leer, die Schuppentore geöffnet und überall Schweigen. Er fuhr herum, als ihn Paddys Stimme wie ein Stoß in den Rücken traf.
»Da sind Sie in eine
Weitere Kostenlose Bücher