Im Tal der bittersüßen Träume
schöne Scheiße hineingefahren, Lagarto!«
Paddy stand auf der Veranda zwischen zwei Säulen, mit offenem Hemd, zerzausten Haaren und rotem Gesicht. Seine massige Gestalt wirkte wie ein Felsklotz, den man auf die Veranda gewälzt hatte. Lagarto riß vom Nebensitz einen Koffer und ging langsam auf die breite Treppe zu.
»Was wird hier gespielt, Paddy?« fragte er, als er auf der ersten Stufe stand. »Das mit der Cholera ist doch Quatsch!«
»Nicht ganz. Mein Vormann Tenabo liegt im Hospital und ist dem Tod gerade von der Schippe gesprungen.«
»Es gibt also wirklich ein Hospital in dieser gottverlassenen Gegend?«
»Hier gibt es alles, was verrückt ist!« Paddy begrüßte Lagarto, indem er mit dem Zeigefinger an die Stirn tippte. Das sah nicht sehr freundlich aus.
»Und einen Dr. Högli?«
»Ach! Den kennen Sie auch schon? Und wie es den gibt!« Paddy grinste anzüglich. »An dem werden speziell Sie Ihre Freude haben! Lassen Sie sich überraschen.«
»Wo ist Evita?« fragte Lagarto. Er sah Paddy scharf und forschend an, aber der zeigte keinerlei Betroffenheit oder Unsicherheit.
»Bei mir nicht«, antwortete er bloß.
»Das sehe ich! Aber sie ist in Santa Magdalena?«
»Kommen Sie rein, Lagarto, und erfrischen Sie sich erst mal. Sie sehen aus wie ein Müller, der durch seine Mehlsäcke gekrochen ist.«
Lagarto blieb stehen. »Warum sind Sie allein, Paddy? Wo sind Ihre Leute? Alle Türen offen … Was ist hier geschehen?«
»Nichts!« Paddy lachte rauh. »Im Dorf ist Hochzeit. Juchhuh! Man feiert seit dem frühen Morgen, und das geht die Nacht hindurch.«
»Trotz Cholera?«
»Bis jetzt ist es nur ein Fall, und den hat Högli unter Kontrolle.«
»Ohne Medikamente?«
»Wir haben Medikamente.«
Paddy ging ins Haus. Lagarto mußte ihm folgen, obgleich er bereit war, sofort wieder in den Jeep zu springen und hinunter ins Dorf zu fahren.
»Der Polizeisergeant in Nonoava sagte mir, der Hubschrauber mit den Medikamenten und dem Polizeichef sei nie angekommen.«
Paddy trat an ein Seitenfenster und winkte Lagarto zu sich. Sie blickten in den Park mit den Springbrunnen und den üppigen Pflanzen.
»Sehen Sie dort hinten die Steinmauer?« fragte Paddy. »Dort liegen drei Hunde von mir begraben. Ich liebe Hunde. Und neben den Hunden haben wir Mendoza Femola verscharrt.«
»Paddy!« sagte Lagarto entsetzt.
»Nein! Nicht ich!« Er winkte ab und trat ins Zimmer zurück. Mit der Nacht kam etwas Kühlung. Paddy knipste alle Lichter an. Er wollte Helligkeit um sich haben. Zu der Stille auch noch Dunkelheit – das wäre unerträglich. »Aus El Paso kam ein Rick Haverston zu uns. Haben Sie schon mal von ihm gehört? Nicht? Natürlich – Sie arbeiten ›konzernlos‹. Aber was die ›Organisation‹ ist, das wissen Sie, nicht wahr?«
»Sagen Sie bloß, sie hat hier auch ihre Hand im Spiel.«
»Sie ist dabei, allein das Spiel zu mischen. Auch Sie werden das bald erfahren. Also: Haverston landete mit dem Hubschrauber, gab seine Visitenkarte ab, indem er Femola tötete und dem Piloten zwei Schüsse in den Arsch verpaßte. Als Folge einer von den Indios gegründeten Selbsthilfe-Aktion hing Haverston heute morgen an einem Baum. Fragen Sie mich nicht, wie er aussah! Und wo man ihn begraben hat, weiß ich auch nicht.«
»Aber Sie wissen, wo Evita ist, Paddy!« Lagarto atmete heftig. »Was hat Evita mit all diesen Scheußlichkeiten zu tun?«
»Nichts! Oder alles – wie Sie wollen!« Paddy warf sich in einen seiner breiten Sessel und streckte die Beine aus. Dabei zeigte er auf die Hausbar mit dem großen Kühlfach. »Bedienen Sie sich, Lagarto. Fruchtsäfte, Eis, Alkohol, was Sie wünschen. Ich weiß, ich bin heute ein miserabler Gastgeber – aber was würden Sie tun, wenn Ihre Tochter ohne Ihren Willen heiratet?« Er schielte zu Lagarto hinauf.
»Sie haben eine Tochter?« fragte dieser verblüfft. »Seit wann?«
»Seit neun Jahren.«
»Und die lassen Sie in diesem Kindesalter heiraten?«
»Blödsinn! Sie war elf, als ich sie bekam. Ein Findelkind, das ich großgezogen habe. Und heute hat sie geheiratet. Einen Mestizen. Den Krankenpfleger von Dr. Högli. Juan-Christo Ximbarro. Irgendwie hat mich das innerlich erledigt, Lagarto, können Sie das verstehen?«
»Und wie ich das verstehen kann. Ich bin fast verrückt, weil ich nichts von Evita erfahre! Paddy! Sie wissen mehr! Heraus mit der Sprache! Wo ist Evita?«
»In Santa Magdalena. Halt! Bleiben Sie stehen!« Paddy sprang aus dem Sessel. »Wenn Sie jetzt da unten
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