Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
Kleinbus, der fast museumsreif war, sich jedoch für eine sechsköpfige Familie, die auch noch jede Menge Freunde ihrer Kinder mittransportierte, immer wieder als ungemein praktisch erwies. Ich erkannte allerdings sofort meinen Irrtum: Das hier war zwar ebenfalls ein weißer Kleinbus, aber ein Vauxhall Movano, höchstens bei flüchtigem Hinsehen zu verwechseln. Er fuhr an mir vorbei ein Stück die Straße hinunter und bog dann in die Einfahrt eines anderen Hauses.
Ich wollte noch nicht aufgeben und beschloss, im Garten nachzusehen. Vielleicht waren sie alle draußen und hatten die Klingel nicht gehört. Es gab zwischen Alexias Haushälfte und der ihrer Nachbarn einen überdachten Durchgang zum Garten, den man sowohl von vorn als auch von der Küche aus betreten konnte. Die Reeces hatten dort ihre Waschmaschine und ihre Tiefkühltruhe stehen. Da Alexia und Ken chronisch überfordert und daher nachlässig waren, dachten sie selten daran, die Tür zum Durchgang abzuschließen. Auch diesmal hatte ich Glück. Ich konnte einfach hineingehen.
Als ich in den Garten trat, sah ich Ken. Er saß auf den Stufen vor dem Esszimmer, rauchte eine Zigarette und hatte eine Bierflasche in der Hand. Er wirkte entspannt, hatte es offenbar bereits geschafft, sämtliche Kinder ins Bett zu verfrachten, denn es gab kein Gewusel und Geschrei, kein Streitgebrüll und kein Geheule. Es herrschte eine fast andächtige, friedliche Abendstimmung. Die Sonne war untergegangen. Der Garten tauchte schon in die Schatten der Dämmerung. Mitten auf dem Rasen stand ein schlaffes, rotes Kinderplanschbecken, dem deutlich sichtbar nach und nach die Luft entwich.
Ken lächelte freudig, als er mich sah. »Jenna! Wie schön! Komm, setz dich zu mir.«
Er rutschte zur Seite, und ich setzte mich neben ihn auf die Stufe. »Hallo, Ken. Ihr müsst die vordere Tür abschließen. Jeder kann einfach ins Haus spazieren!«
»Bei uns ist kaum etwas zu holen«, entgegnete Ken sorglos. »Möchtest du auch ein Bier? Und eine Zigarette?«
»Gerne ein Bier.«
Er griff nach einer zweiten Flasche, die neben ihm stand, öffnete sie und reichte sie mir. Ich konnte den Alkohol und den Rauch in seinem Atem riechen. Ich selbst hatte mir mit Matthew bereits eine Flasche Wein geteilt. Jetzt noch ein Bier, und ich würde am nächsten Morgen böses Kopfweh haben. Aber daran mochte ich im Moment nicht denken. Meine Erkältung befand sich auf dem Rückzug, und ich fühlte mich halbwegs fit. Einen Kater würde ich auch noch irgendwie überstehen.
»Was habt ihr denn mit eurem Planschbecken gemacht?«, fragte ich.
Ken lachte. »Evan hat es mit Dartpfeilen beschossen. Es ist reif zum Entsorgen.«
»Ach, du liebe Güte!« Seinen und Alexias Kindern fiel zuverlässig stets ein neuer Blödsinn ein. Ich erkundigte mich nach meiner Freundin. »Ist Alexia schon ins Bett gegangen?«
Ken schüttelte den Kopf. »Gott bewahre! Ins Bett geht sie kaum noch. Sie ist noch nicht einmal nach Hause gekommen bis jetzt.«
»Sag nicht, sie ist schon wieder in der Redaktion?«
»Gestern den ganzen Tag. Heute den ganzen Tag. Sie rotiert nur noch um dieses verdammte Heft. Macht sich völlig fertig, weil ihr wieder Anzeigenkunden abgesprungen sind. Mein Gott, ich vermute, dass das in der gesamten Branche ständig passiert, aber sie sieht es als ihr persönliches Versagen an, dem sie unbedingt entgegensteuern muss.«
»Ronald Argilan ist es, der ihr dieses Gefühl vermittelt«, erklärte ich. »Er behandelt sie wie eine Versagerin – gegen sein eigenes besseres Wissen, meiner Ansicht nach. Er hat sich auf sie eingeschossen, und er will sie scheitern sehen. Ich glaube, sie hat überhaupt keine Chance, das ist das Schlimme daran. Er wird die Latte, über die sie springen soll, einfach immer höher legen, so lange, bis sie aufgibt. Ihn kostet das nicht viel, und sie wird sich daran völlig aufreiben.«
»Was hat er bloß gegen sie?«, fragte Ken verwirrt.
Ich zuckte mit den Schultern. »Er hat etwas gegen Frauen in Führungspositionen. Eine Frau gehört nach Hause zu ihren Kindern, an den Herd, in die eigenen vier Wände. Abends steht sie mit einem leckeren Essen für den heimkehrenden Ehemann bereit und fragt ihn: Schatz, wie war dein Tag? «
»Na ja, das klingt richtig gut, wenn ich ehrlich bin«, meinte Ken und grinste.
Wir stießen mit unseren Bierflaschen an und nahmen jeder einen tiefen Schluck.
Ich blickte Ken an. »Das ist keine leichte Zeit für dich, nicht wahr?« fragte ich.
Er nickte.
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