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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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»Lass uns ins Gästezimmer gehen.«? Auch das hatte wieder etwas so Verkrampftes und Unechtes.
    Ich starrte auf den Teppich im Wohnzimmer, dann glitt mein Blick hinaus zum Gartentisch. Zur Not … Aber Matthew erschien mir zu konservativ. Um es auf dem Fußboden oder auf einem Tisch zu treiben, musste man von Leidenschaft überwältigt werden, man tat das eher, weil man es an einen komfortableren Ort nicht mehr schaffte. Matthew schien meilenweit davon entfernt zu sein, Leidenschaft zu empfinden, geschweige denn, von ihr überwältigt zu werden. Und ich wusste plötzlich, dass es peinlich enden würde, wenn ich den Anfang machte.
    »Wir haben uns schließlich im Fernsehen die Nachrichten angesehen«, berichtete ich Ken. »Romantisch, oder? Wir wussten einander einfach nichts mehr zu sagen und endeten vor der Glotze!«
    »Warum nicht?«, fragte Ken und drückte seine Zigarette auf den Steinplatten aus. »Manchmal braucht man einen Strohhalm. Eure Situation ist schwierig. Du kannst sie nicht mit normalen Maßstäben messen.«
    »Dieser Strohhalm war jedenfalls der schlechteste, nach dem wir greifen konnten.« Ich sah die Szene deutlich vor mir. Wir beide nebeneinander auf dem Sofa. Max zu unseren Füßen. Zwischen uns ein sehr sittsamer Abstand. Wir starrten beide in den Fernseher, als seien wir vollkommen fasziniert von dem, was wir dort zu sehen bekamen.
    »Hast du das mitbekommen in den letzten Tagen?«, fragte ich Ken. »Diese Frau in Yorkshire, die praktisch vom Straßenrand weg gekidnappt wurde?«
    Ken überlegte eine Sekunde. »Stimmt, ja. Ich entsinne mich. Was ist mit ihr?«
    »Sie haben sie gefunden. Heute. Sie wurde wohl von einer Bande krimineller junger Leute entführt und auf einer abgeschiedenen Farm festgehalten. Keine Ahnung, was die dort mit ihr gemacht haben. Aber sie lebt wenigstens und wird zu ihrem Mann zurückkehren.«
    »Ach du Scheiße«, sagte Ken, was sich sicherlich nicht auf die geglückte Rettung der fremden Frau bezog. Er ahnte wohl, was diese Meldung in seinem Freund Matthew ausgelöst hatte.
    Ich nickte. »Matthew konnte gar nicht verbergen, wie nah ihm das ging. Die Geschichte ist auch geradezu grotesk ähnlich! Eine Landstraße irgendwo mitten in den Hochmooren von Yorkshire. Eine Frau, die allein in einem Auto wartet. Sie verschwindet spurlos, Handtasche und Autoschlüssel bleiben zurück. Die Polizei tappt komplett im Dunkeln. Es geht kein Erpresseranruf ein, nichts. Die Sache ist unerklärlich. Allerdings dann, nur zwei Tage später …«
    »Die erlösende Gewissheit«, vollendete Ken. »Wenn man das so nennen kann. Denn wer weiß, was dieser Frau angetan wurde. Sie wird viel Hilfe und Unterstützung brauchen, um in die Normalität zurückzufinden.«
    »Natürlich. Aber immerhin: Man kann ihr nun helfen. Die quälende Ratlosigkeit ist allen genommen. Das verzweifelte Suchen, das Grübeln, die Angst … all das, was Matthew seit bald drei Jahren durchmacht, bleibt dieser Familie nun erspart.«
    Ich hatte genau gespürt, was in Matthew vorging, als er die Nachricht im Fernsehen verfolgt hatte: Er durchlebte innerhalb der folgenden Minuten noch einmal die ganze Skala der Gefühle, die ihn seit dem August 2009 so heftig quälten. Er sah Vanessa vor sich, in den Händen eines Gewalttäters, irgendeines perversen Typen, der sie erniedrigte und verletzte und vielleicht langsam zu Tode quälte. Vanessa hatte nicht das Glück gehabt, gefunden zu werden.
    Ich hatte begriffen, dass Matthew allein sein wollte, auch wenn er zu höflich war, das zu sagen. Gedankenverloren hatte er Max gestreichelt, seine Hände in dem dicken, weichen Fell des großen Hundes vergraben, und sein Blick hatte sich in die Ferne gerichtet, irgendwohin, auf einen Punkt, den niemand außer ihm sah. Ich hatte vorsichtig seine Schulter berührt.
    »Ich gehe nach Hause«, sagte ich leise. »Ich denke, das ist jetzt besser.«
    Er zuckte zusammen. »Ich fahre dich.«
    »Nein, lass nur.« Er schien mir kaum in der Verfassung, Auto zu fahren. »Ich nehme ein Taxi.«
    Er hatte nicht widersprochen, aber als ich dann im Auto saß, hatte ich plötzlich geglaubt, nicht allein sein zu können, und mich deshalb zu Alexia bringen lassen. Die wiederum so in ihren eigenen Problemen steckte, dass sie auch nicht für mich da sein konnte.
    »Und damit war der romantische Sonntag dann vorbei«, meinte Ken. »Tut mir leid, Jenna. Das ist wirklich eine ganz verfahrene Situation. Vielleicht ist Matthew einfach immer noch nicht in der Lage,

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