Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
eine neue Beziehung einzugehen.«
»Ist wohl ein roter Faden in meinem Leben«, sagte ich. »Ich habe acht Jahre mit einem Mann verbracht, der sich nicht wirklich auf mich einlassen konnte. Nun passiert mir das schon wieder. Ich scheine eine Frau zu sein, die eine besondere Anziehungskraft auf beziehungsunfähige Männer ausübt. Ich kann nicht behaupten, dass mich das sehr glücklich stimmt.«
Er schaute mich an. »Ich glaube, du bist eine Frau, die auf alle Männer eine besondere Anziehungskraft ausübt«, sagte er. »Du bist sehr schön. Ich habe selten eine so schöne Frau gesehen.«
Wir saßen so dicht nebeneinander, dass unsere Gesichter sich ganz nah waren. Wir hatten beide Alkohol getrunken und ich auf jeden Fall zu viel.
Ich sagte: »Das geht nicht!«
Ungeachtet meiner Worte küsste ich ihn in der nächsten Sekunde . Seine Lippen waren weich, seine seit zwei oder drei Tagen nicht rasierte Wange kratzte. Er stellte seine Bierflasche ab und griff mit beiden Händen nach mir, mit einer Geste, die beides sein konnte, Umarmung oder Abwehr. Er wusste es wahrscheinlich selbst nicht so genau.
»Wir dürfen nicht …«, sagte er, ehe er meine Küsse erwiderte, zaghaft zunächst, aber doch so, dass ich spürte: Auch er war einsam. Auch er sehnte sich nach Trost. Was hatte er vor ein paar Minuten gesagt? Manchmal braucht man einen Strohhalm.
Er war mein Strohhalm, ich war seiner in diesem Moment. Im ersten Stock des Hauses schliefen seine vier Kinder, und seine Frau, meine beste Freundin, konnte jeden Augenblick aus der Redaktion zurückkommen. Was mir vollkommen gleichgültig war. Ich wollte jetzt sofort Sex mit ihm haben. Im Gras. Auf den harten Fliesen der Terrasse. Stehend an die Hauswand gelehnt. Wo und wie auch immer.
Zum Glück bekam Ken noch die Kurve. Er ließ mich los und stand auf. Ich sah, dass er zitterte.
»Entschuldige«, sagte er. »Entschuldige, Jenna. Das war … das hätte ich auf keinen Fall tun sollen.«
Ich erhob mich ebenfalls. Meine Beine waren weich wie Pudding. »Du musst dich nicht entschuldigen«, sagte ich. »Es ging von mir aus. Und das war einfach unmöglich.«
Langsam senkte sich die Dunkelheit herab. Der Geruch nach Frühling, Erde und Gras, der aus dem Garten kam, schien immer intensiver zu werden. Was, zum Teufel, war mit mir los? Vor zwei Stunden hatte ich über Sex mit Matthew nachgedacht. Eben gerade wäre ich ohne die geringste Hemmung bereit gewesen, mich mit Ken im Gras zu wälzen. Ich hatte geglaubt, über diese Phase endgültig hinweg zu sein. Als junges Mädchen, im Dauerstreit mit meiner Mutter, mich nach dem Tod meiner geliebten Großmutter noch unverstandener und einsamer fühlend, war ich bereitwillig mit jedem Mann ins Bett gegangen, der gerade meinen Weg kreuzte, nicht vollkommen abstoßend war und Interesse an mir bekundete. Nach der Schule, als ich von daheim abgehauen war und mich als ziemlich erfolglose Sängerin durchzuschlagen versuchte, ging es damit weiter. Garrett hatte die Phase noch erlebt, ehe ich mich dann dauerhaft an ihn band und vollends unglücklich wurde.
Ich musste an eine Situation denken, Jahre zuvor, die so schlimm gewesen war, dass ich mich danach von Garrett getrennt hatte. Unglücklicherweise hatte er mich bequatschen können, es dann noch einmal mit ihm zu versuchen, was ein riesengroßer Fehler von mir gewesen war. In der Erinnerung an jenes Vorkommnis schossen mir noch jetzt die Tränen in die Augen.
Ken sah es und bezog es sofort auf sich. Mit einer hilflosen Geste strich er über meine Wange. »Es ist doch nichts passiert«, sagte er. »Oh Gott, Jenna, bitte nicht weinen!«
»Ich weine nicht deswegen.« Obwohl es mit ihm und dem, was gerade geschehen war, zusammenhing. »Es ist nur … Ich begreife mich selbst manchmal einfach nicht!«
Garrett und ich waren auf einer Party gewesen, um uns herum lauter coole, hippe junge Leute, von denen ich kaum jemanden kannte, und Garrett hatte Wodka-Mixgetränke, auf die er damals total stand, bis zum Abwinken getrunken. Wenn er trank, wurde er gefährlich – angriffslustig, beleidigend, verletzend. Es gab niemanden, der so zielgenau unter die Gürtellinie schlagen konnte wie Garrett, wenn er zu viel Wodka in sich hineingeschüttet hatte. Schüchterne, unsichere Menschen reizten ihn dann besonders. Wenn sich kein geeignetes Objekt bot, griff er gerne auf mich zurück, so auch an jenem Abend. Er begann sich plötzlich über meine dunkle Seite, wie er es nannte, auszulassen.
»Wenn Jenna
Weitere Kostenlose Bücher