Im Wahn - Moody, D: Im Wahn - Hater
verschlief den Wecker und stellte dann die ganze Wohnung auf der Suche nach seiner Uhr auf den Kopf. Am Ende fand er sie unter dem Bett, aber da war er schon spät dran. Er wusste genau, es würde einer von diesen Tagen werden, an denen alles ein wenig schwerer ging als normalerweise und nichts richtig klappte.
Evans hatte keine Zeit für Nachrichten und das Tagesgeschehen.
Er wusste nicht, warum die Straßen heute Morgen so menschenleer wirkten oder er doppelt so lange wie sonst auf den Bus warten musste, der dann halb leer war. Ihm fiel auf, dass heute manches anders zu sein schien, machte sich aber keine nennenswerten Gedanken über das Warum und Wieso.
Außer ihm saßen noch sieben Leute im Oberdeck des Busses. Fünf blickten stumm und nachdenklich in den grauen und feuchten Morgen hinaus. Ein Paar saß vorne, riss Witze, lachte und machte mehr Lärm als alle anderen Passagiere zusammen. Evans saß ganz hinten und beobachtete sie alle. Die Fensterscheiben beschlugen durch den Atem. Er rieb das Fenster frei, damit er sehen konnte, wie weit er noch zu fahren hatte. Die plötzliche Bewegung weckte die Aufmerksamkeit eines spindeldürren Mannes mit Bürstenschnitt, der zwei Reihen vor ihm saß und sich ständig nervös umblickte, um zu sehen, was sich hinter ihm tat.
Evans stellte Blickkontakt mit dem anderen Passagier her und erstarrte.
Der Mann – ein stiller Durchschnittstyp, der keinen Ärger wollte – drehte sich hastig wieder um, sah in den vorderen Teil des Busses und hoffte, dass nichts passieren würde. Es war zu spät. Evans verspürte eine plötzliche und unkontrollierbare Angst, einen Zwang, sprang auf und zerrte den anderen Passagier von seinem Sitz hoch. Er stieß ihn in den Mittelgang zwischen den beiden Sitzreihen, wo er mit einem so lauten Geräusch landete, dass es jeder im Deck darunter hörte. Er betrachtete den Mann, der mit den Schultern zwischen zwei Sitzen eingeklemmt war und seinen Blick wie versteinert erwiderte. Evans hob den Fuß, trat auf das Gesicht, brach die Nase und riss die Haut unter dem rechten Auge auf. Dann trat er wieder zu, immer wieder, obwohl jeglicher
Widerstand augenblicklich erlosch und er schließlich spürte, wie die Knochen des Mannes unter seinen gnadenlosen Fußtritten brachen.
Die Fahrerin sah auf den Monitor, doch die anderen Passagiere, die von den Sitzen aufgesprungen waren und zu der steilen Treppe liefen, nahmen ihr die Sicht. Sie brachte den Bus unvermittelt auf der sonst dicht befahrenen zweispurigen Straße zum Stillstand. Vor einer Woche hätten eine Menge Leute versucht, dem unglücklichen Opfer zu helfen, aber heute nicht. In Todesangst und um ihre eigene Sicherheit besorgt, brachten sie sich so schnell sie konnten in Sicherheit, hinaus auf die Straße, wo sie aufschauten und immer wieder flüchtige Bewegungen des blutigen und brutalen Überfalls sahen, der sich auf dem Oberdeck abspielte.
Zwei Polizisten, die in der Nähe Streifendienst versahen, stürmten den Bus, noch ehe die letzten Passagiere ausgestiegen waren. Sie liefen hastig die Treppe hinauf und hielten die Schlagstöcke bereit. Daryl Evans stürzte sich auf sie. Ein einziger wohlgezielter Hieb mit dem Schlagstock direkt an die Schläfe setzte ihn augenblicklich außer Gefecht; er fiel zu Boden und landete reglos nur wenige Zentimeter entfernt von dem Mann, den er gerade totgeschlagen hatte.
14
Lizzie nannte mich einen verdammten Idioten, weil ich heute hierherkam. Sie meinte, es sei Wahnsinn, sich in die Innenstadt zu wagen, und jetzt, wo ich hier bin, muss ich ihr leider recht geben. An sich wollte ich ja zu Hause bleiben, aber mir blieb keine andere Wahl. Ich hatte in letzter Zeit schon zu oft gefehlt. vor zwei Monaten habe ich schon einmal eine Abmahnung wegen meiner Fehlstunden bekommen, und jetzt ziehen sie mir diese Stunden vom Lohn ab. Sosehr ich diesen Job auch hasse, ich kann es mir nicht leisten, ihn zu verlieren. vielleicht bin ich ja der Einzige, der heute erscheint. vielleicht sollte ich das Risiko einfach eingehen, umkehren und wieder nach Hause gehen. Ich weiß nicht, was schlimmer ist – die vorstellung, dass mir Barry Penny und Tina wieder eine Standpauke halten, oder in einen Zwischenfall verwickelt zu werden, wie wir ihn gestern erlebt haben.
Heute ist es ruhiger auf den Straßen. Es sind immer noch jede Menge Leute unterwegs, aber alles in allem ähnelt die Lage eher einem Sonntagmorgen als einem Mittwoch. Alle sind stumm und bedrückt, kaum einer redet mit dem
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