Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
einmal Soldaten und fühlten sich ohne eine brauchbare Waffe in der Nähe nicht besonders wohl. Giusti ging weiter nach hinten durch. Im nächsten Waggon saßen noch mehr Soldaten der Stabskompanie. Der Sergeant Major seines Bataillons hockte auf der letzten Bank und las ein Taschenbuch.
»Hallo, Colonel«, begrüßte er Giusti. »Ganz schön lange Fahrt, nicht wahr?«
»Mindestens noch drei Tage, vielleicht sogar vier.«
»Na super«, bemerkte der Stabsfeldwebel. »Das ist ja schlimmer als fliegen.«
»Stimmt, aber wenigstens haben wir unsere Kettenfahrzeuge dabei.«
»Ja, Sir.«
»Wie sieht es an der Essensfront aus?«
»Na ja, Sir, wir haben unsere Feldrationen – und ich habe einen ganzen Karton Snickers gebunkert. Irgendwelche Nachrichten darüber, was in der Welt vor sich geht?«
»Nur, dass es in Sibirien losgegangen ist. Die Chinesen haben die Grenze überschritten, und der Iwan versucht, sie aufzuhalten. Nichts Genaues. Wir müssten einen Bericht über den neusten Stand bekommen, wenn wir Moskau erreichen, also schätzungsweise nach dem Mittagessen.«
»Na schön.«
»Wie nehmen die Männer die Situation auf?«
»Da gibt es keine Probleme. Sie sind gelangweilt von der Fahrt und brennen darauf, wieder in ihre Kisten zu kommen – das Übliche.«
»Und die allgemeine Moral?«
»Sie sind kampfbereit, Colonel«, versicherte ihm der Sergeant Major.
»Gut.« Damit drehte sich Giusti um und kehrte in seinen Waggon zurück. Er hoffte darauf, doch noch ein paar Stunden schlafen zu können, denn von Polen sah man ja sowieso nicht viel. Es ärgerte ihn, dass er so abgeschnitten von allem war, was um ihn herum vorging. Seine Fahrzeuge waren zwar mit Satellitenfunkanlagen ausgerüstet, standen aber auf Transportwaggons, unerreichbar für ihn. Es herrschte Krieg. So viel wusste er. Aber das nutzte ihm nichts ohne die Einzelheiten, ohne zu wissen, wo der Zug überall anhalten würde, wo und wann sie ihre Ausrüstung entladen, die Quarter-Horse-Einheit organisieren und endlich wieder auf die Straße kommen würden, wo sie hingehörten.
Trotzdem – die Truppenverlegung per Zug funktionierte gut. Die russische Bahn konnte scheinbar eine Million Transportwaggons bereitstellen, die ausschließlich für die Verschickung von Kettenfahrzeugen konstruiert worden waren – zweifellos ursprünglich mit der Absicht, eines Tages russische Kampfpanzer nach Westen zu schaffen, nach Deutschland, für einen Krieg gegen die NATO. Die Hersteller hätten wohl nie im Leben vermutet, dass ihre Waggons einmal amerikanische Panzer Richtung Osten bringen würden, die Russland dabei helfen sollten, sich gegen eine Invasion zur Wehr zu setzen. Nun, niemand konnte mehr als ein paar Wochen in die Zukunft sehen. Im Moment hätte Giusti sich schon mit fünf Tagen zufrieden gegeben.
Die übrigen Einheiten der First Armored verteilten sich über Hunderte von Kilometern der Eisenbahnstrecke West-Ost. Colonel Don Lisles Second Brigade war in Berlin wahrscheinlich gerade erst mit der Verladung fertig und bildete damit das Schlusslicht der Division. Diese Einheit würde Polen bei Tageslicht durchqueren – was immer das brachte.
Die Quarter-Horse-Einheit befand sich an der Spitze der Truppentransporte, und dort gehörte sie auch hin. Gleichgültig, wo sie ausstiegen, zuerst würden sie die Rundumsicherung organisieren und dann den Marsch nach Osten anführen, mit einem Manöver, das ›Vorrücken bis zur Feindberührung‹ genannt wurde. Damit fing dann der richtige Spaß an. Und dafür musste er ausgeruht sein, sagte sich Colonel Giusti. Also lehnte er sich in seinen Sitz zurück, schloss die Augen und überließ sich dem Rucken und Schaukeln des Waggons.
Morgenpatrouille, das war es, woran alle Kampfpiloten dachten. Der Name dieses Dienstes ging auf einen Errol-Flynn-Film aus den 30er Jahren zurück, und der Ausdruck selbst stammte wahrscheinlich von einer tatsächlichen Mission. Es ging darum, als Erster aufzustehen, den Sonnenaufgang zu betrachten und dem Feind unmittelbar nach dem Frühstück auf den Leib zu rücken.
Bronco Winters sah Errol Flynn nicht besonders ähnlich, aber das störte ihn nicht. Seinem Gesicht konnte man nicht ansehen, dass er ein Krieger war, seinem Gesichts ausdruck allerdings schon. Er war Kampfpilot. Als Jugendlicher war er in New York mit der U-Bahn zum Flughafen La Guardia gefahren, nur um dort hinter der Absperrung zu stehen und die Flugzeuge bei Start und Landung zu beobachten. Schon damals war
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