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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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ich neulich durch seine Haut hatte schimmern sehen, doch unter dem Rosa war kein Skelett zu erkennen. Ich entdeckte weder etwas zu essen noch zu trinken im Container. Kein Tropf, keine Verbände. Nachdenklich fragte ich mich, ob Rijnhard gelogen hatte. Das Quartier sah aus, als habe es seit drei Tagen niemand mehr betreten. Es hätte mich nicht gewundert, wenn im Inneren des Containers sämtliche Ritzen und Spalten bereits von Rijnhard und seinen Helfern mit Isolierband abgeklebt worden wären.
    Sich selbst überlassen, musste ich denken. Zu mächtig und zu intelligent …
    Ich atmete tief durch. Die Luft in unmittelbarer Nähe der Unterkunft roch nach Salzwasser und faulenden Algen. Chapmann – oder zu was immer dieses Ding inzwischen mutiert war – gehörte in einen Quarantänebereich der Sicherheitsstufe 4. Keiner von uns konnte sagen, wie infektiös die Lebensform, die von ihm Besitz ergriffen hatte, war und was sie mit ihrem Wirtskörper vorhatte. Ich hatte sie durch einen Handschuh hindurch in menschliche Haut schlüpfen sehen. Sie war hyperfluid und gefährlich. Niemand wusste, welche Materie sie aufhielt. War sie fähig, durch Containerwände zu sickern? Konnte sie sich durch die Luft verbreiten?
    Rijnhard hatte erzählt, sie hätten Soerensen und die anderen Infizierten verbrannt, nachdem sie wieder erwacht waren. Wieder erwacht … Die Vorstellung machte mir Angst. Aber was sollte Rijnhard unter den gegebenen Bedingungen und Möglichkeiten auch tun?
    Das Shoggothen-Plasma war resistent gegen extreme Kälte, aber äußerst licht- und hitzeempfindlich. Es existiert noch eine andere Lebensform, auf die diese Faktoren zutreffen. Sie zumindest besitzt eine Daseinsberechtigung auf dieser Welt: das Virus. Sonnenlicht schädigt seine Erbmasse, und Hitze tötet es, aber Kälte bis minus 200 Grad Celsius macht ihm so gut wie nichts aus. Hatten wir es womöglich doch mit einer Äonen alten Virenkolonie und ihrem gigantischen Wirt zu tun? War es vielleicht gar nicht so unvorteilhaft, dass das Militär und der Seuchenschutz im Anrücken waren? Hatten sie nicht die Mittel, um die Lage in den Griff zu bekommen?
    Versuchst du dir gerade etwas einzureden, Akademiker? Dann wirf mal einen Blick in den Spiegel!
    Wieder erwacht, wieder erwacht … Ich schielte auf den Flammenwerfer in Stomfords Händen und beschloss, >bei Gelegenheit Rijnhards Büro aufzusuchen. Irgendwo dort befand sich in seinen Unterlagen ein weiteres Puzzleteilchen, das Auskunft darüber geben konnte, was der Arzt bisher über die Gallertmasse herausgefunden hatte. Berichte über die Vorfälle mit Soerensen und den anderen Toten. Symptome. Krankheitsverläufe. Todesursachen. Hypothesen. Allerdings befand sich dieses Material höchstwahrscheinlich in seinem Computer, und dieser würde passwortgeschützt sein. Aber vielleicht hatte er irgendwo schriftliche Analysen abgeheftet.
    Ohne ein Wort zu sagen, ließ ich Stomford stehen und lief nachdenklich die Containerzeile entlang. Ich fror noch immer nicht, was mich zu der Überzeugung führte, dass ich Kälte unempfindlich war – wie ein Virus.
    Oder ein Shoggothe?, fragte die Stimme in meinem Kopf. Schrieb Nauna die Wahrheit? War ich ebenfalls infiziert? Trug ich es in mir? Wie viele Facetten besitzt die Krankheit, an der Chapmann und die anderen zugrunde gingen?
    Nun saß ich seit über einer Stunde fast regungslos an den Sendemast gelehnt auf den Gitterrosten der Wartungsplattform. Alles, was ich am Körper trug, waren T-Shirt, Wollpullover, Jeans und bequeme Turnschuhe, überzogen von einer dünnen Schicht winziger Eiskristalle. Ich fühlte die Augen der Mannschaft im Rücken; heimliche, verstohlene Blicke, die durch die Fenster der Station geworfen wurden.
    Rijnhard war vor einiger Zeit mit einer Thermoskanne voll heißem Kaffee aufgetaucht und hatte mir eine Predigt gehalten. Er meinte, ich solle mich von dem Unvermögen, Temperatur zu fühlen, nicht blenden lassen. Falls ich weiterhin so leichtsinnig wäre und ›halbnackt‹ in der Arktis herumsitze, bestehe die Gefahr, dass ich innerlich auskühle. Ein Wunder, dass er nicht ständig mit einem Thermometer und einem Pulsmesser hinter mir herlief.
    »Die Einheimischen pflegen ein Sprichwort, Silis«, meinte er, nachdem ich desinteressiert abgewunken hatte. »Ein Jäger, der seinen Handschuh verliert, ist ein toter Jäger! Die Hand erfriert, das Herz pumpt mehr Blut, das erkaltete Blut fließt zurück zum Herz – Exitus. Dieses Gesetz gilt selbst für

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