In den finsteren Wäldern (German Edition)
die Lenksäule. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er sah sich rasch um und vergewisserte sich, dass er nicht beobachtet wurde, dann öffnete er die Beifahrertür und beugte sich über den Sitz.
Wo sich an der Lenksäule das Zündschloss hätte befinden sollen, erblickte er nur ein rundes Loch.
Hier stimmte tatsächlich etwas nicht.
Er kletterte wieder hinaus, schloss leise die Tür und ging zur Vorderseite. Seine Finger tasteten unter dem Rand der Motorhaube. Er fand die Verriegelung und löste sie. Angeln knarrten, als er die Haube hochklappte.
Keine Batterie.
Kein Kühler, kein Keilriemen, kein Vergaser, kein Luftfilter. Der Motorraum war ausgeweidet worden.
»Großer Gott«, murmelte er und senkte die Haube.
Er rannte über die Zufahrt zu einem verwahrlosten Grand Prix, öffnete dessen Motorhaube. Lander spähte in der Dunkelheit an die Stelle, wo sich der Motor befinden sollte, fand aber keinen vor. Der Wagen glich einer leeren Hülle.
Was war das für ein Motel, in dem nutzlose Autos vor den Zimmern parkten wie ... wie Köder?
Mit einem plötzlichen Anflug von Beklommenheit fragte sich Lander, ob der gesamte Ort verwaist war, ob man nur die Lichter in den Zimmern angelassen und die Wracks wie Attrappen vor die Hütten gerollt hatte ...
Dass die Tragödie »Mensch« benannt ... Der gute alte Poe; er tauchte stets auf, wenn man ihn am wenigsten brauchte. Und der Eroberer »Wurm« ihr Held.
Ein Schauspiel. Eine Bühne, die der lächelnde Mann aus dem Büro geschaffen hatte – oder die seltsame Person, die hinter der Tür gelauert hatte.
»Cordelia!«, brüllte Länder. »Cordelia! Ben!« Er wartete, lauschte auf eine Antwort. Alles, was er hörte, waren der Wind in den Bäumen, Grillen und entfernte Frösche, die Geräusche der Vögel, die in der Nacht sangen, als wäre alles in Ordnung, das Gelächter eines Fernsehpublikums.
Am Ende des Hofs schwang eine Tür auf. Ruth kam heraus. »Lander? Was ist?«
Er rannte zu ihr.
»Um Himmels willen ...«
Er schob sie wieder hinein und schloss die Tür.
»Was ist denn los?« Ihr verängstigter Blick bettelte ihn um eine rasche Antwort an. »Die Kinder?«
»Ich habe sie nicht gesehen. Keine Ahnung, wo sie sind, aber hier stimmt etwas nicht. All diese Autos sind Attrappen.«
»Ich verstehe nicht ...« Sie schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nicht, was hier vor sich geht, aber ... Erinnerst du dich an Norman Bates?«
»Wen?«
»Anthony Perkins. Psycho? Das Hotel ...«
»Lander, hör auf!«
»Ich glaube, das ist gar kein echtes Motel. Ich denke, es ist eine Art Falle.»
»Nein!«
Lander lehnte sich an die Tür und rieb sich das Gesicht. Als überzeugter Pazifist hatte er Schusswaffen immer verabscheut. Nun wünschte er bei Gott, eine zu besitzen.
»Was sollen wir tun?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte er.
»Cordelia ist da draußen!«
»Vielleicht irre ich mich ja. Vielleicht ist alles ... völlig harmlos und die Kinder sind im Wald und vergnügen sich. Ich weiß es nicht.«
Mit leiser, angespannter Stimme sagte Ruth: »Dann sollten wir es besser herausfinden.«
»Wie?«
»Wir gehen rüber zum Büro ...«
»O ja, tolle Idee.«
»Was schlägst du denn vor?«
Lander blickte zum Telefon und verwarf den Gedanken sofort. Es bestand keine Möglichkeit, nach draußen zu telefonieren, ohne über die Schaltzentrale des Motels vermittelt zu werden. »Wir könnten Hilfe holen«, murmelte er. »Es muss hier Polizei geben, einen Sheriff ...«
Ruth streckte die Hand nach dem Türknauf aus.
Er packte ihr Handgelenk.
»Ich gehe jetzt raus und suche meine Tochter«, erklärte sie. »Lass mich sofort los.«
»Warte! Wir müssen nachdenken.«
»Von wegen! Während du nachdenkst, könnte Cordie wer weiß was passieren!« Sie riss ihre Hand los, ergriff den Knauf und zog die Tür auf.
Lander ließ sich zurückfallen und schlug sie zu. »Verdammt noch mal, Ruth!«
»Lass mich raus!«
Das Telefon klingelte. Das jähe Geräusch erschreckte Lander. Ruths Kopf fuhr herum. Beide verharrten reglos und starrten auf den schwarzen Apparat, als dieser erneut klingelte.
Lander rannte hin. Beim dritten Klingeln hob er ab. »Hallo?«
»Mr. Dills, hier ist Roy aus dem Büro.«
»Ja?«
»Ihre Tochter ist hier bei mir. Sie möchte gern mit Ihnen reden.«
Den Blick auf Ruth gerichtet, wartete Lander.
»Was ist?«, flüsterte seine Frau, brachte die Worte kaum heraus.
»Daddy?« Die Stimme seiner Tochter klang schrill vor Panik.
»Liebling, was ist los?«
»O Dad!
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