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In der Kälte der Nacht

In der Kälte der Nacht

Titel: In der Kälte der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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hatten, in Gegenwart des Eichhörnchens keinen Ton von sich zu geben. »Wenn wir es zähmen wollen, müssen wir es früh genug an unsere Stimmen gewöhnen.«
    »Hab keine Angst«, sagte Mark und trat einen Schritt auf das Eichhörnchen zu. »Lauf nicht weg, hörst du?« Das Tier ließ das Apfelstückchen fallen und flitzte zu einem Ahornbaum. Es sprang den Stamm hinauf und blieb auf einem Ast sitzen. Es starrte die beiden Menschen an. »Wir versuchen es morgen noch mal«, sagte Paul und stand auf. Er streckte und reckte sich. »Das Tier wird nie Vertrauen zu uns haben.«
    »Doch. Nach und nach, Mark.«
    »Es läßt sich nicht zähmen, wette ich.«
    »Wir müssen Geduld haben«, sagte Paul. »Man kann ein Eichhörnchen nicht in einer Woche zähmen.«
    »Ich habe eben keine Geduld.«
    »Du wirst es lernen müssen.«
    »Nach und nach?«
    »Nach und nach.« Paul bückte sich und stopfte die Reste des ausgelegten Köders in eine Plastiktüte. »Wenn es das sieht, ist es stocksauer auf uns«, sagte Mark. »Stell dir mal vor, jemand stellt dir was zu essen hin, und dann wird's wieder fortgenommen.« Paul lachte. »Wenn wir das Fressen dalassen, hat das Eichhörnchen kein Interesse mehr am Wiederkommen.« Sie schlugen den Rückweg zum Zelt ein. Sommer. Die Luft war warm. Im Gras waren Gänseblümchen zu erkennen und Butterblumen. Es roch nach Erde und nach wilden Blumen. In den Wipfeln der Tannen rauschte der Wind. Ein Falke schwang sich ins Bild, stolz und leise. Sie würden ihre Vorräte auffüllen müssen, in Black River. Aber Paul
    hatte es nicht eilig, seine Berge zu verlassen. Hier war alles friedlich, rein, harmonisch. Heiterkeit erfüllte den Wald. Dann fiel ihm Jenny ein. Sie war wichtiger als die frischen Eier, die Milch und die Butter, die es in Black River zu kaufen gab. Jenny. Mark erreichte als erster das Zelt. »Rya«, schrie er: »Rya.« Er warf einen Blick ins Innere des Zeltes. Er sah ratlos aus, als er wieder auftauchte. »Rya! Wo bist du?«
    »Hier«, sagte sie. Sie war vom Zelt verdeckt gewesen. Paul traute seinen Augen nicht. Seine Tochter hielt ein Eichkätzchen in den Armen. Das Tier nagte an einem Apfelstückchen. Sie streichelte ihm den kleinen Schädel. »Wie hast du das gemacht?« fragte er. »Mit Schokolade.«
    »Mit Schokolade?« Sie grinste über das ganze Gesicht. »Zuerst hab' ich's auch mit Nüssen und Äpfel versucht, wie ihr beide. Aber dann ist mir eingefallen, Nüsse und Äpfel kriegt ein Eichhörnchen auch in der freien Natur, dazu braucht es sieht nicht zu den Menschen zu wagen. Ich habe nachgedacht, worauf so ein Tier wohl Hunger haben könnte, und da bin ich auf Schokolade gekommen.«
    »Jetzt frißt es aber keine Schokolade, sondern ein Stück Apfel.«
    »Zuviel Schokolade ist nicht gut für ein Eichhörnchen«, sagte Rya. Das Tier hob den Kopf und sah Paul fragend an. Dann fuhr es mit dem Knabbern fort. »Gefällt's dir, Mark?« fragte Rya, und dann war ihr Grinsen wie fortgewischt. Als Paul seinen Sohn ansah, verstand er warum. Der Kleine war den Tränen nahe. Rya hatte sich wieder gefaßt. »Nun?« sagte sie. »Gefällt's dir? Ich hab' mir solche Mühe gegeben, das Tier für dich einzufangen.« Du liebes Kleines, dachte Paul. Mark strich sich die Tränen aus den Augen. »Du hast es für mich gefangen?«
    »Für wen denn sonst?«
    »Ich dachte, es gehört dir.«
    »Was soll ich als Mädchen denn mit einem Eichkätzchen anfangen?« sagte Rya. Sie setzte das Tier auf die Erde und kniete sich hin. Sie zog ein Stück Schokolade aus der Hemdtasche und riß das Staniolpapier zur Seite. »Hier, Mark! Du mußt ihm was geben, damit es dich lieb hat.« Das Eichhörnchen ließ sich nicht lange bitten. Es fraß Mark aus der Hand. Der Junge war im siebten Himmel. Als das Eichkätzchen die Schokolade aufgeknabbert hatte, kam es zu Rya und schnüffelte an ihren Füßen. Es kehrte zu Mark zurück. Schnüffeln. In langen Sätzen überquerte es die Lichtung und verschwand im Geäst eines Baumes. Mark war hinterhergerannt, aber das Eichhörnchen war schneller gewesen. Enttäuscht kam er zurück. Er war außer Atem. »Du mußt nicht traurig sein«, sagte Rya. »Morgen kommt's wieder. Es kommt wieder, solange wir ihm Schokolade geben.« Mark sah seinen Vater an. »Meinst du, es wird so zahm, daß ich's mit nach Black River nehmen kann?«
    »Mal sehen«, sagte Paul. Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Ist schon spät. Wir müssen fahren.« Der Wagen stand einen Kilometer entfernt, auf einem Seitenweg,

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