In der Oase
Ahmose? Hallen meine Worte in deinen Träumen wider?«
Sie nahm seine Hand und streichelte sie, dachte, wenn noch mehr Tränen kommen müssen, dann lieber jetzt, doch sie hatte diese weibliche Reaktion auf Katastrophen schon bei den Akazienbüschen hinter sich gebracht. Irgendwie war sie sich im Klaren, dass sie nie wieder über Dinge weinen würde, die sich nicht ändern ließen. Wozu sollte das gut sein? Und während Aahmes-nofretari in diesem stillen Raum saß und den Blick auf ihren verletzten Mann richtete, fand sie allmählich zu einer ganz neuen Unnachgiebigkeit und sie schüttelte das Letzte ab, was von dem schüchternen, ziemlich scheuen Mädchen von einst übrig geblieben war.
Achtzehntes Kapitel
Aahmes-nofretari saß den ganzen Nachmittag und bis in die Nacht am Lager ihres Mannes, doch an seinem Zustand änderte sich nichts. Der Arzt war mehrmals gekommen, hatte die Salbe abgewischt, seine Stiche überprüft und einen neuen Brei aufgelegt und schließlich hatte Aahmes-nofretari völlig erschöpft die Wache an Achtoi übergeben und war auf ihr Lager gekrochen. Erst als sie sich überzeugt hatte, dass die aufrührerischen Fürsten sicher verwahrt und ihre Soldaten in der Kaserne eingesperrt waren, hatte sie die Kinder aus dem Tempel holen lassen.
Nofre-Sachuru war unter strenger Bewachung ins Gefängnis geschafft worden. Sie hatte den ganzen Weg entrüstet protestiert, doch als Anchmahor in Ahmoses Schlafgemach kam und sich nach dem Befinden des Prinzen erkundigte, konnte er Aahmes-nofretari berichten, dass man in den bauschigen Falten ihres Hemdkleides ein Messer gefunden hatte. Nofre-Sachuru beharrte darauf, sie wäre von gedämpften Schritten auf dem Flur vor ihrem Zimmer geweckt worden, und als sie aus der Tür getreten wäre, hätte sie die toten Getreuen des Königs erblickt. Erschrocken hätte sie sich das Messer gegriffen und wäre aus dem Haus gestürzt, hätte sich zum Tempel als dem einzigen sicheren Ort geflüchtet, den sie zu Fuß erreichen konnte. Ihre Geschichte unterschied sich von der, die sie Amunmose erzählt hatte, nämlich dass Aahmes-nofretari sie schicke, weil sie beim Schutz der Kinder helfen solle.
»Kann es sein«, so fragte sie den Fürsten, »dass es ihre Rolle im Aufstand war, Ahmose-onch zu töten? Wenn Kamose und Ahmose erledigt waren, blieb nur noch ein männlicher Überlebender. Die Verschwörer haben sehr wohl gewusst, dass sie zum völligen Sieg jeden männlichen Tao umbringen mussten.« Anchmahor zögerte.
»Das ist eine schwerwiegender Vorwurf, Prinzessin«, ermahnte er sie vorsichtig. »Für solch ein schändliches Komplott gibt es keine Beweise.«
»Wir haben Senehats Zeugnis für ihren Hass«, gab Aahmes-nofretari zurück. »Und zweifellos hat sie bezüglich der Vorgänge in der letzten Nacht gelogen. Ich gehe bei ihr kein Risiko mehr ein. Sie kommt mit den Fürsten vor Gericht.«
»Die Hinrichtung von Edelmännern wird im Heer und unter den Bürgern Unsicherheit bewirken«, meinte er. »Männer, die sich dem Aufstand anschließen wollten, die die Richtung verloren hatten, werden um ihr Leben fürchten. Aber eine Frau zu töten…« Er hob die Hände. »Eine solche Tat wird Ägypten entsetzen und du läufst Gefahr, viele Unterstützer zu verlieren.«
»Und, haben wir eine andere Wahl?«, fauchte Aahmes-nofretari, denn sie war zu müde für höfliche Floskeln. »Wir müssen so deutlich wie möglich zeigen, dass wir alles im Griff haben, und das auch weiterhin. Sollte das Rücksichtslosigkeit bedeuten, werden wir rücksichtslos sein und des Nachts umso besser schlafen, weil wir erneut die Saat des Verrats ausgemerzt haben. Erneut, Anchmahor.« Sie erhob sich von dem Schemel neben dem Lager, ließ jedoch die schlaffe Hand ihres Mannes nicht los. »Seit dem Tag, an dem sich mein Vater entschlossen hat, aus blanker Verzweiflung gegen Apophis zu ziehen, haben wir mit den unsichtbaren Fangarmen des Verrats zu kämpfen gehabt. Ich bin es so leid, dass man uns Freundlichkeit mit Niedertracht vergilt, dass unser Traum von einem befreiten Ägypten von Männern behindert wird, die ehrlich sprechen, jedoch im Herzen Verrat hegen.« Sie ließ die Schultern sinken und fuhr sich mit zitternder Hand durch das verklebte Haar. »Sieh dir an, was Vertrauen bei Kamose, bei meinem Gemahl angerichtet hat! Falls du eine andere Lösung als Hinrichtung für alle hast, ich höre.«
»Du hast Recht«, gab Anchmahor widerstrebend zu. »Aber, Prinzessin, sollten wir mit einem
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