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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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wohnte nämlich direkt neben der Bet und hatte den gleichen tollen Ausblick auf die Kirchentür. Außerdem hatte sie zur Bet gesagt, dass sie der Polizei auch nicht alles erzählt hatte, was sie wusste. Sollte ich sie fragen, ob sie auch Astern geschnitten hatte? Seite an Seite mit der Bet? Aber wie ich die Kathl kannte, hatte sie zu wenig Zeit, um im Garten dürres Gewächs abzuschneiden. Sie war mehr im Dorf unterwegs, zum Beispiel um die Pfarrbriefe auszutragen, und hatte für die Gartenpflege keine Zeit.
    »Du solltest sie mal hören, wenn sie über Homosexualität redet«, sagte sie energisch. »Schlimm.«
    »Schlimm«, krächzte ich entgeistert. Die Kathl wieder.
    »Sag der Oma einen schönen Gruß«, sagte sie noch, dann bog sie ab.
    Ich blieb mit trockenem Mund stehen. Homosexualität. Wer hätte gedacht, dass ich aus dem Mund der Kathl je dieses Wort vernehmen würde.
    Einen Nachteil hatte das Davonlaufen, dachte ich mir verspätet. Jetzt wusste ich zwar, wie die Bet zu Schwulen stand und dass sie Großmutter verdächtigte, mit Messern bewaffnet Weihwasser zu holen. Aber wie der Pudschek gestorben war, wusste ich immer noch nicht. Und ich hatte das Gefühl, dass es sehr wichtig gewesen wäre, es zu wissen. Ich ging noch einmal zurück und spitzte um die Ecke. Aber weder die Rosl noch die Bet waren zu sehen.
    Ich hatte wieder das komische Gefühl im Bauch, als müsste ich meiner Großmutter etwas beichten. Das machte ich zwar seit Jahren nicht mehr, aber trotzdem. Und alles nur wegen dem Pudschek. Ich wusste plötzlich ganz sicher, dass ich damals, nach Pudscheks Tod, Großmutter etwas beichten wollte. Ich hatte mich nur nicht getraut. Und dann hatte ich es so gründlich vergessen, das‘s nur noch das Gefühl übrig geblieben war. Ein Beichtgefühl.
    Der Pudschek war nach dem Krieg in unser Dorf gekommen, direkt aus der Kriegsgefangenschaft. Bei den Amis hatte er damals einen großen Deal gemacht. Er hatte die Zigaretten gehortet, die er zugeteilt bekommen hatte, anstatt sie selbst zu rauchen. Und dann war er nach Bayern gekommen, mit seinem Zigarettenkoffer. Und der Meierbeck, also der Bäcker Meier, musste ihn aufnehmen. Eigentlich hätte er sich freuen können, denn schließlich rauchte der Meierbeck. Und konnte seine Semmeln jetzt gegen Zigaretten tauschen.
    Aber so war das nicht. Der Meierbeck war nur sauer, dass der Pudschek in dem kleinen Dachkammerl wohnen durfte, während seine Schwiegereltern bei ihm im Wohnzimmer schliefen. Zigaretten hin oder her, die Schwiegereltern im Wohnzimmer konnten einem das Rauchen schon vergällen. Besonders, wenn alle anderen Nichtraucher waren, die ständig an einem herummeckerten, und man zum Rauchen auf die Straße gehen musste. Nur weil die Schwiegermutter immer herumkeifte, dass die Gardinen gelb wurden.
    Höchst verdächtig, versuchte ich mir einzureden, um nicht an mein schuldbewusstes Gefühl zu denken. Aber der Meierbeck war schon uralt. Und auch damals war er bereits uralt gewesen und hatte wahrscheinlich seit Ewigkeiten vergessen, dass er seinen Hass auf den Pudschek gehabt hatte. Denn vor zwölf Jahren hatte der Pudschek schon längst in seinem eigenen Haus gewohnt. Und die Schwiegereltern vom Meierbeck waren auch schon lange verstorben, vermutlich an den Folgen vom Passivrauchen.
    Zigarettenkoffer war der falsche Ausdruck, fiel mir ein. Es war nämlich eine hölzerne Kiste. Eine alte Munitionskiste, mit ledernen Riemen statt Scharnieren, und wenn man den Deckel öffnete, dann verrutschte alles, weil die Riemen nicht so hielten wie Scharniere. Ich blieb für einen Moment stehen und fragte mich, woher ich die Kiste kannte. Zu der Zeit, als er darin Zigaretten aufgehoben hatte, war ich nämlich noch nicht geboren gewesen.
    Ich trottete nach Hause und schob den Gedanken, dass Großmutter mit Messern bewaffnet Weihwasser holen gegangen sein könnte, weit von mir.
    Die Bet, die dumme Kuh. Vermutlich hatte Anneliese recht. Wenn ich nicht selbst den Mörder fand, saß über kurz oder lang wohl ich selbst im »Karzer«, wie Großmutter zu sagen pflegte. Und alles nur, weil die Bet zum Blomberg rennen musste, damit der sich auch alles Mögliche zusammenreimen konnte. Der fand das Verhalten von Großmutter und mir sowieso höchst verdächtig. Neben einer Leiche zu quietschen musste ich mir wirklich abgewöhnen.
    Wieso sagte sie nicht wie alle anderen auch, dass es ein verrückter Fremder gewesen sein musste? Nicht, dass wir so viele Fremde in unserem Ort hätten.

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