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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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erstreben, sofern Ihr nur einwilligen wollt.«
    »Wie denn, Monsieur, bin ich so schön?« fragte sie, kokett mit ihrem Fächer spielend. »Man sagt mir nach, ich hätte eine etwas schmale Stirn.«
    »Madame, die schmale Stirn verrät viel Geist. Hippokrates bestätigt es in seinen Aphorismen. Und wer möchte bei Eurer Stirn verweilen, wenn er nur Eure Augen sieht, tiefgründig, goldfarben, dichtbewimpert und so groß wie ein See.«
    Die Begleitdamen, die insgeheim Lächelblicke wechselten, ließen ein kleines Lobgemurmel hören, gleichsam ein Amen in profanen Tönen.
    »Für die Augen mag das noch angehen, böse Zungen aber behaupten, meine Nase sei etwas lang geraten.«
    »Lang, Madame? sie ist von Rasse. Und wer schert sich um die Nase, wenn sein Blick auf so süßen, fleischigen Lippen ruhen darf.«
    »Das räume ich ein«, sprach sie, »mit meinem Mund bin ich nicht unzufrieden, doch die besagten Leute nennen meinen Hals zu dick.«
    »Dick, Madame? welch ein Unsinn! Darf ich offen und ehrlich reden, Madame?«
    »Nur zu, Monsieur.«
    »Die Natur hat Euch mit einem so fülligen, molligen Hals beschenkt, damit er ein Nest von Küssen aufnehmen kann.«
    »Ha, Monsieur! jetzt geht Ihr zu weit«, sprach sie zürnend. »Ein Nest von Küssen! Meine Damen, habt Ihr gehört?«
    »Madame, er ist ein Scheusal, doch er spricht die Wahrheit«, sagte Aglaé.
    »Das Nest geschenkt! Aber die Schultern, Monsieur, was sagt Ihr zu meinen Schultern?« fragte Madame de Joyeuse.
    So wurde von den Schultern bis zu den Füßen – ausgenommen die Körperteile, die man gemeinhin nicht nennt und nicht zeigt – alles durchgegangen, denn Madame de Joyeuse hatte ein Alter erreicht, in dem die Schönheit grausamen Abbruch zu erleiden beginnt. Und sosehr ich zunächst heimlichen Spott in meine Worte gelegt, wurde mir plötzlich bewußt, welche Ängste sich verbargen hinter diesem lächerlichen Spiel; da hatte ich nicht mehr das Herz, mich zu mokieren, sondern wollte lieber Stärkung geben. Also spielte ich perfekt meine Büßerrolle,wohl wissend, daß hier nicht der auf Knien Liegende zu leiden hatte, sondern die Angebetete, die aus schrecklicher Angst vor dem Altwerden so entfesseltes Lob begehrte.
    »Madame«, sprach Aglaé, als wir endlich bei den Füßen waren, »dieses Scheusal würde gewiß einen recht zuträglichen Büßer abgeben, wenn er von gutem Adel wäre.«
    »Das bin ich, Madame!« Ich erhob mich und verzog das Gesicht zur Grimasse. »Bei Ceresole wurde mein Vater zum Ritter geschlagen und bei Calais zum Baron erhoben. Ich wüßte auf Erden keine bessere Adelung.«
    »Das gilt für die Männer«, sagte Madame de Joyeuse, »aber darf ich Euch, ehe Ihr bei mir empfangen werdet, mit Verlaub fragen, wer Eure Mutter ist?«
    »Meine selige Mutter, Madame, war eine geborene Caumont.«
    »Caumont? die Caumonts von Castelnau und Les Milandes? Das ist ja alter perigurdinischer Adel, und die Caumonts, wie ketzerisch sie auch sein mögen, sind meine Cousins.«
    »Eure Cousins, Madame? Habe ich demnach die Ehre, ein bißchen mit Euch verwandt zu sein?«
    Madame de Joyeuse senkte die Lider, um über den Grad unserer Verwandtschaft nachzudenken, und als sie es gebührlich getan, sagte sie:
    »Es reicht hin, Monsieur, daß ich Euch meinen kleinen Vetter nennen kann, aber Ihr dürft mich nicht Cousine nennen.«
    »Oh, Madame, das habt Ihr hübsch gesagt!« rief Aglaé. Und die Hofdamen lachten und gackerten wie die Hühner. Ich war zunächst erzürnt, wohl ahnend, wie sehr die vornehme Gesellschaft von Montpellier darüber lästern würde. Die Lacher verstummten bald, und alle glaubten fest, daß ich »der kleine Vetter« von Madame de Joyeuse sei – ein Titel, der mir rechtens nicht zukam: die gute Dame hatte ihn mir nur verliehen, um ohne Verletzung der Etikette eine so niedere Person bei sich empfangen zu können, einen Zweitgeborenen aus dem Périgord, der zu allem Übel auch noch Arzt war.
    »Aber wenn ich mir Euren Aufzug so betrachte!« fuhr Madame de Joyeuse fort, mich durch ihre Lorgnette musternd. »In Schwarz von Kopf bis Fuß! die kleine Halskrause! das enge Beinkleid! So könnt Ihr vor mir nicht erscheinen!«
    »Ach, Madame, Ihr berührt einen wunden Punkt!« rief ich, sehr beschämt von den Vorwürfen.
    Und ich erzählte ihr die Geschichte von dem Wams aus blauem Satin, um das ich meinen Vater gebeten hatte. Hierauf Madame de Joyeuse herzlich lachte, und mehr noch ihre Papageiendamen, die gar nicht mehr aufhören wollten zu

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