Infinitas - Krieger des Glaubens (German Edition)
Treppe hinunter und sah ihre 9mm Glock auf dem Tresen in der Küche liegen.
Nachdenklich schüttelte Ewa den Kopf und nahm sich ein Glas Milch. Sie stellte das Radio an. Diese absolute Stille machte sie unruhig. Seitdem sie allein lebte, konnte sie diese Lautlosigkeit nicht mehr ertragen. In allen Räumen ihres Hauses gab es ein Radio, das sie jedes Mal sofort anstellte, um der Stille zu entfliehen. Selbst wenn sie schlief, schaltete sie vorher den Fernseher an. Gedankenverloren stellte sie ihr Glas auf der Arbeitsplatte ab. Das Radio im Schlafzimmer war heute Morgen nicht eingeschaltet gewesen.
Ihr Blick fiel auf die Wohnungstür, und sie sah, dass auch die Tür nicht verriegelt war. Regungslos blieb sie am Tresen stehen und starrte auf ein zweites benutztes Glas. Sie erinnerte sich nicht daran, gestern Abend etwas getrunken zu haben.
Kopfschüttelnd stellte sie beide Gläser in die Spülmaschine und ging unter die Dusche.
Die nächsten zwei Tage hatte Ewa dienstfrei und sich noch nicht entschieden, wie sie ihre freie Zeit verbringen sollte. Die Einsamkeit brachte sie schier um den Verstand. Vielleicht würde sie nach L.A. fliegen und Freunde besuchen.
Grübelnd wischte sie den Spiegel frei, um ihr Haar zu föhnen. Los Angeles wäre wohl doch keine so gute Idee, dort gab es für sie nur schmerzvolle Erinnerungen. Das wollte sie sich ersparen.
Im Spiegel fiel ihr Blick wieder auf die zwei kleinen Wunden an ihrem Hals unterhalb des Ohres. Seitdem sie aufgewacht war, spürte sie dort ein leichtes Pochen. Ewa hatte keine Ahnung, wie es zu diesen Wunden gekommen war, doch war es irritierend, wie präsent diese kleine Verletzung in ihrem Bewusstsein war. Nachdem sie sich angezogen hatte, ging sie in die Küche und bereitete sich ein kleines Frühstück zu. Im Radio wurde ununterbrochen über das kalte Wetter diskutiert, deshalb startete sie stattdessen den CD-Player. Fleetwood Mac erklang, Over and Over!
Mit einem Schlag waren ihre Erinnerungen wieder da. Wie auf einer Leinwand liefen die Szenen vor ihren Augen ab. Sie sah einen Mann in ihrer Küche stehen, der lächelnd nach ihrer Hand griff und sie in die Arme nahm. Aber es war nicht Jim, ihr verstorbener Ehemann, es war ein Fremder, mit schwarzer Kleidung und dunklen Haaren. Sie sah sich draußen vor ihrem Haus nach einer Orange greifen, und dann wieder diesen Mann.
Shia war sein Name, Shia Keane.
Ihre Verletzung am Hals begann, wie wild zu pochen. Dann sah sie, wie der Mann sich über sie beugte und in ihre Kehle biss, tiefe Züge nahm, und sie spürte, wie das Blut ihren Körper verließ. Sie musste sich an den Tresen klammern, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Gleichzeitig fühlte sie auch wieder die Wärme, die durch ihren Körper floss. Sie registrierte das Prickeln, das seine Hände auf ihrer Haut hinterlassen hatte, wie seine Lippen zärtlich über ihre strichen und eine Intimität schafften, als wären sie beide ganz allein auf dieser Welt. Sie griff an ihren Hals, wo ihre Wunde jetzt wie verrückt pochte. Wer auch immer dieser Shia Keane war, Ewa wusste aus dem tiefsten Inneren, dass er in keinster Weise böse war, dass er ihr niemals gefährlich werden würde.
Nur einem Gefühl konnte sie bedingungslos vertrauen, dem Gefühl, dass dieser Mann real war und kein Produkt ihrer überspannten Phantasie.
Sie griff zu ihrem Handy und wählte die Nummer des Departments. »Hi Esposito, Ewa hier, kannst du für mich etwas überprüfen?«
»Klar, schieß los.«
»Lass bitte den Namen Shia Keane durch den Computer laufen, schau, ob du etwas über ihn herausfinden kannst. Jede Kleinigkeit ist wichtig.«
»Ok! Hat das was mit unseren Fällen zu tun?«
»Nein, es ist privat.«
»Hey Ewa, wenn ich mich richtig erinnere, hat der Chief dir zwei Tage Urlaub gegeben und will dich hier nicht sehen.«
»Siehst du mich etwa?«, fragte sie und legte einfach auf, nicht ohne vorher noch das Lachen ihres Partners zu hören.
Am späten Nachmittag unternahm Ewa einen langen Spaziergang am Strand. Obwohl die Sonne schien, war die Luft eisig, und ein rauer Wind wehte ihr durch das blonde Haar. Es würde noch gut einen Monat dauern, bis der Frühling auch spürbar würde.
Das Meer war aufgewühlt, so wie Ewas Gefühle. Bereits am Mittag war ihre kleine Wunde unterhalb des Ohres verheilt, aber wenn sie an Shia dachte, kehrte das laute Pochen immer wieder zurück.
Langsam kam ihr die Begegnung mit ihm nur noch wie ein Traum vor. Ihr Verstand wollte
Weitere Kostenlose Bücher