Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
Leihbücherei, das Women's Institute und das Mechanics Institute. Es war noch früh für Touristen, aber die Geschäfte hatten schon geöffnet, die Einheimischen machten ihre Runde, Einkaufstüten in der Hand, und standen in kleinen Grüppchen tratschend auf dem Bürgersteig. Die Straße war schmal, ein doppelter gelber Streifen zog sich an beiden Seiten entlang. In der anderen Richtung standen nur noch vereinzelte Häuser und vor der Kreuzung mit The Edge lag über eine halbe Meile offenes Feld.
Annie parkte auf dem Grasstreifen gegenüber der Kreuzung. Von da aus konnte sie in der Ferne die Ruinen von Hobb's End erkennen. Mehrere kleine Figuren standen traubenförmig um den Schuppen herum, in dem das Skelett gefunden worden war. Das musste die Spurensicherung sein, die noch immer die Gegend absuchte, dachte Annie. Sie fragte sich, ob Dr. Williams, der Skelettgrabscher, auch da war.
Annie überquerte die Straße und öffnete das Tor. Mrs. Kettering kniete im Garten und besprühte ihre Dahlien. Sie sah auf. Annie stellte sich vor.
»Ich weiß, wer Sie sind«, sagte die alte Frau, stützte sich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab und drückte sich hoch. »Ich erinnere mich an Sie. Sie sind die nette Polizistin, die meinen Joey zurückgebracht hat.«
Annie nahm das Kompliment mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis. In Wirklichkeit hatte sie Joey nicht selbst gefunden. Der Wellensittich hatte unschuldig auf der Dorfwiese gehockt und Krumen aufgepickt, die ein alter Mann verstreute. Seligerweise hatte das Tierchen nicht geahnt, dass es von einem ganzen Schwarm Spatzen in einem der Bäume und von einem orangeroten Kater beobachtet wurde, der hinter einem weniger als zehn Meter entfernten Busch lauerte. Ein Junge aus dem Ort hatte das jedoch bemerkt, und da er sich an die Aushänge erinnerte, die eine Belohnung von fünf Pfund für den entflogenen Wellensittich versprachen, hatte er Joey vorsichtig aufgenommen und zur Polizeiwache gebracht. Annie hatte nichts anderes getan, als Joey sicher den Händen von Mrs. Kettering zu übergeben. Eine der vielen aufregenden Aufgaben, die sie seit ihrer Ankunft in Harkside zu erledigen gehabt hatte. Doch immerhin hatte sich Annie bei diesem Einsatz auch ihre erste Verletzung im Dienst zugezogen. Joey zwickte ihr in den Daumen, so dass es blutete, aber Inspector Harmond wollte ihren Antrag auf Schmerzensgeld nicht akzeptieren.
Mrs. Kettering trug eine rote Baseballmütze, einen weiten gelben Kittel und eine schlotternde weiße Hose, die ihr bis zu den Knien reichte. Ihre Beine darunter waren so weiß wie Schmalz, dazu rot gesprenkelt und mit Krampfadern überzogen. An den Füßen trug sie schwarze Turnschuhe ohne Schnürbänder. Obwohl sie ein wenig vornübergebeugt ging, sah sie für ihr Alter noch sehr robust aus.
»Oh je«, sagte sie und wischte sich mit dem Unterarm Schweiß und Schmutz von der Stirn. »Hoffentlich sind Sie nicht gekommen, um mich zu verhaften. Hat mich jemand angezeigt?«
»Sie angezeigt? Wieso denn?«, fragte Annie.
Mrs. Kettering warf einen schuldbewussten Blick auf den neben der Haustür aufgerollten Gartenschlauch. »Ich weiß ja, dass das Wasser knapp ist, aber ich kann meinen Garten nicht einfach vertrocknen lassen. Bei so einem Wetter braucht ein Garten eine Menge Wasser. Ich habe kein Auto, brauche also kein Wasser zum Autowaschen, und da dachte ich, wenn ich nur ein klein wenig nehme ...?«
Annie lächelte. Sie hatte ihr Auto auch seit Wochen nicht gewaschen, aber das hatte nichts mit der Wasserknappheit zu tun. »Keine Sorge, Mrs. Kettering«, sagte sie augenzwinkernd, »ich werde das nicht bei Yorkshire Water melden.«
Mrs. Kettering seufzte und legte ihre knotige, venenüberzogene Hand aufs Herz. »Oh, vielen Dank, meine Liebe«, sagte sie. »Wissen Sie, ich glaube nicht, dass ich in meinem Alter noch ins Gefängnis gehen könnte. Ich habe gehört, das Essen dort soll ganz furchtbar sein. Und das bei meinem Magen ... Egal, nennen Sie mich doch Ruby. Was kann ich für Sie tun?«
»Es geht um Hobb's End.«
»Hobb's End?«
»Ja. Ich habe gehört, dass Sie mal dort gewohnt haben.«
Mrs. Kettering nickte. »Sieben Jahre haben Reg und ich dort gewohnt. Von 1933 bis 1940. Es war unser erstes gemeinsames Haus, direkt nach unserer Hochzeit.«
»Sie sind also nicht bis zum Ende des Krieges dort geblieben?«
»O nein. Mein Reg zog in den Krieg - er war bei der Marine - und ich ging
Weitere Kostenlose Bücher