Intimer Betrug
weggegeben hat, was eigentlich mir zugestanden hätte.«
Fentington fuchtelte mit seiner Waffe herum. »Ich wollte wissen, wem sie sich hingegeben hatte. Also bin ich ihr gefolgtund habe abgewartet. Ich wusste, dass ihr Geliebter irgendwann zu ihr käme.« Er lachte. »Sie können sich nicht vorstellen, wie überrascht ich war, als ich entdeckte, dass
Sie
es waren.«
Er lief weiter rastlos umher. Sein Blick war wirr, seine Miene verzweifelt. Dies war ein Mann, der alles verloren hatte, seine Selbstachtung eingeschlossen. Ein Mann, der alles tun würde, um Rache zu nehmen, jeden zu bestrafen, den er für schuldig an seinem Untergang hielt.
Vincent ließ Fentington nicht aus den Augen, wartete auf eine Gelegenheit, die Waffe an sich zu bringen.
»Wie lange macht sie schon für Sie die Beine breit, Raeborn? Seit Wochen? Monaten? Oder länger?« Fentington stieß ein sadistisches Lachen aus, ein wahnsinniges Lachen. Das Blut toste in Vincents Kopf. »Wie unverschämt von mir, Sie das zu fragen. Ich kann wohl kaum von Ihnen erwarten, dass Sie mir Ihre schmutzigen kleinen Geheimnisse verraten, nicht wahr?«
Seine Lippen verzogen sich zu einem hässlichen Grinsen.
»Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr es mich gefreut hat, als ich sah, dass auf Sie geschossen wurde. Ein anderer hat das getan, wovon ich nur geträumt hatte.«
Er trat näher. »Sie hatten den Tod verdient. Sie hatten mir die Frau gestohlen, die ich heiraten wollte, und mich vor der feinen Gesellschaft bloßgestellt. Mein Ruf ist ruiniert! Ich wollte Sie tot sehen. Himmel, wie sehr ich mir gewünscht habe, dass Sie für das büßen, was Sie angerichtet haben.« Er schüttelte den Kopf. »Aber mir fehlte der Mut.«
Vincent versuchte, das Gehörte zu begreifen. Fentington wollte ihm weismachen, dass er die Waffe nicht abgefeuert hatte, aber es
musste
er gewesen sein. Alles andere war undenkbar.
»Und wissen Sie auch, warum?«
Fentingtons Bewegungen waren ruckartig und fahrig. Er liebkoste die Waffe in seiner Hand wie ein wertvolles Andenken.
»Wissen Sie es?«
Vincent schüttelte den Kopf.
»Weil ungeachtet dessen, für wie groß ich Ihre Sünden hielt, egal für wie verwerflich und unbedeutend ich Sie in Gottes Augen hielt oder wie sehr ich Sie verachtete – um Sie zu töten, hätte mich auf Ihr Niveau hinabbegeben müssen. Hätte ich Sie getötet, wäre ich nicht besser als Sie. Deshalb habe ich gebetet. Ich habe gebetet, dass Gott Ihr Leben auslöschen würde, wie Sie das meine ausgelöscht haben.«
Er stellte sich dicht vor Vincent und hielt ihm die Mündung des Pistolenlaufs unter das Kinn. »Und meine Gebete schienen im Handumdrehen erhört zu werden. Während ich Sie bei dem Ritt zu ihrer Geliebten beobachtete, sandte Gott einen anderen, um zu tun, wozu mir der Mut fehlte. Gott sandte einen anderen Ihrer Feinde, um Sie zu töten.«
Er ging zum anderen Ende des Zimmers hinüber und funkelte Vincent aus irren Augen an. »Ich wollte gerade fortreiten, als er auf Sie geschossen hat. Doch als er blieb, tat ich das auch.«
»Sie haben gesehen, wer auf mich geschossen hat?«
Fentington lächelte. »Natürlich.«
»Wer war es?«
Fentington ignorierte ihn und fuhr mit seiner Geschichte fort. »Später beobachtete ich, wie er die Türen verbarrikadierte und das Haus anzündete.«
Er fuchtelte mit der Pistole herum. »Ich war überzeugt, dass Sie beide sterben würden. Aber Sie blieben wieder verschont.«
Der Ausdruck in seinem Gesicht wurde brutaler, intensiver. »In dem Moment begriff ich, dass ich in ebenso großer Gefahr schwebte wie Sie.«
Vincent versuchte vergeblich, Fentingtons Argumentation zu folgen. »Inwiefern?«
»Begreifen Sie nicht? Der Mörder hat sich nicht nur mit Ihrem Tod zufrieden gegeben. Er wollte auch Ihre Frau töten.« Fentington schüttelte den Kopf. »An dem Abend, als er sie draußen auf der Straße vor die Kutsche stieß, hat sich mein Verdacht bestätigt.« Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »So gern ich Sie tot gesehen hätte, dass auch sie stirbt,wollte ich nicht. Wäre ihr etwas zugestoßen, wäre die Welt zu demselben Schluss gekommen wie Sie – dass ich daran schuld bin.«
Vincent versuchte verzweifelt zu verstehen, was Fentington ihm sagen wollte. »Warum sollte jemand Grace etwas antun wollen?«
Fentington stieß ein bellendes Lachen aus. »Wegen des Kindes, Euer Gnaden.«
Vincent machte einen Schritt von Fentington weg. Sein Gehirn weigerte sich zu verstehen, worauf
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