Invasion 03: Der Gegenschlag
klammerte, aber sie bekam eine Hand voll von dem Bunkermantel zu fassen, und die Puppe fiel nicht um. Jetzt hatte sie nur noch den Mantel, und ihre NomexHandschuhe waren vom Schweiß schlüpfrig geworden, deshalb war es ziemlich problematisch, nicht loszulassen. Aber sie würde es schaffen. Sie war beinahe durch.
Dann kam die Katastrophe. Sie war noch drei Meter vom Ziel entfernt, hatte es fast geschafft, als sie spürte, wie die erste Schließe nachgab.
Unglücklicherweise war der Dummy schon Tausende Male im Test eingesetzt gewesen. Man hatte ihn gehoben und geschleppt und hin und her gezerrt und das immer in demselben Bunkermantel – einem Bunkermantel, der sich genau diesen Augenblick aussuchte, um aufzugehen.
Sie spürte, wie die Schließen nachgaben, und tastete verzweifelt an der Vorderseite des Mantels herum, versuchte irgendetwas zu fassen zu bekommen. Der Dummy balancierte einen Augenblick lang auf ihrem Knie, aber dann rutschte ihre Hand ab, und er fiel zu Boden.
Sie stand bloß da und … sah ihn an. Der Dummy lag auf dem Boden. Sie hatte den Dummy fallen lassen. Nach all der Qual …
Am liebsten hätte sie laut geschrien. Darum gebettelt, eine weitere Chance zu bekommen. Und zugleich wusste sie, dass man sie dann nie wieder zur Prüfung zulassen würde. Also stand sie bloß da, die Tränen rannen ihr über das Gesicht, und sie war unfähig, sich zu bewegen, als eine der Prüferinnen zu ihr herüberkam, den Bunkermantel zuknöpfte und den Dummy in die Höhe stemmte.
Am Ende kam Chief Connolly zu ihr herüber, griff nach ihrem Arm., führte sie zu einer Bank und zog ihr den Helm herunter.
»Es wird wieder eine Prüfung geben«, sagte Connolly. »Sie brauchen es dann bloß so gut zu machen, wie Sie es heute gemacht haben, und den Dummy nicht fallen zu lassen.«
»Wieso haben Sie das gewusst?«, flüsterte Wendy.
»Das habe ich nicht«, antwortete Connolly und drehte sich halb herum, um die nächste Kandidatin zu beobachten. »Ich hab Sie reingelegt. Ich wusste, Sie hatten ihren ganzen Mut für die Seilprüfung zusammengenommen, also habe ich Sie mit dem Dummy drangekriegt. Aber an den Schließen habe ich nichts gemacht. Das war bloß Pech.«
»Pech«, flüsterte Wendy. »Wäre nicht das erste Mal.«
»Und deshalb habe ich Sie reingelegt«, erklärte Connolly ruhig. »Sie sind einfach noch nicht so weit. Für Sie ist das alles nur ein Spiel, auch wenn es hart wird. Bei einem Feuer will ich niemanden neben mir haben, der einfach nur mitmacht, weil es ›Spaß‹ macht. Oder wegen der Uniform. Oder sonst irgendetwas, mit Ausnahme des brennenden Wunsches, das Feuer zu besiegen und Menschen zu retten.«
Connolly drehte sich zu ihr um, sah sie an und schüttelte den Kopf. »Sie spielen immer noch Feuerwehr, Wendy. So kann man es auch in Ihrem Psychoprofil lesen; das ist mit ein Grund, weshalb die Sicherheit Sie nicht nimmt. Sie sind nicht überzeugt, dass Sie es schaffen, Sie sind nicht überzeugt, dass Sie damit fertig werden, und wollen einfach eine Weile damit herumspielen und sehen, ob es Ihnen gefällt. Ich will in meiner Abteilung niemanden, der bloß spielt. Ich will niemanden haben, der nicht hundertprozentig sicher ist, dass er seinen Job schafft und auch die nötigen Fähigkeiten dazu besitzt. Für ein ›vielleicht‹ ist unsere Verantwortung einfach zu groß.«
Wendy blickte einen Augenblick lang zu ihr auf und nickte dann. »Sie können mich mal.« Sie richtete ihren Zeigefinger auf Connolly, als diese zum Reden ansetzte. »Wenn Sie noch ein Wort sagen, mache ich Sie fertig«, flüsterte sie, richtete sich auf und stellte sich dann auf die Bank, um der größeren Feuerwehrfrau in die Augen sehen zu können.
»Ich will Ihnen mal was sagen, Chief Connolly«, flüsterte sie dann und zog dabei die Schutzkleidung aus. »Sie mögen sich ja für den lieben Gott halten, aber ich sage Ihnen, Pech heißt wissen , es heißt nicht, sich Sorgen zu machen oder sich den Kopf zu zerbrechen, es heißt wissen , dass die Posleen einen umbringen und anschließend mit Sicherheit auffressen werden. Pech heißt mitzuerleben, wie jedes einzelne Mitglied deiner Familie und jeder, mit dem du zur Schule gegangen bist, jeder und jede, den du je gekannt hast, an einem Tag umgebracht werden. Pech heißt, mit ansehen zu müssen, wie das ganze Leben, das man bisher gekannt hat, in einem einzigen Augenblick ausgelöscht wird.
Sie sind von Baltimore hierher gekommen, ehe die Stadt überhaupt angegriffen wurde«, fuhr
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