Invasion 03: Der Gegenschlag
ist auf G Vier.«
Shari fühlte sich ein wenig benommen, und das schwache Licht, das aus dem Schacht drang, schien wie hinter einem Schleier hervorzukommen. Sie hatte dieses Gefühl schon einmal gehabt, das war damals gewesen, als sie vor den angreifenden Posleen in Fredericksburg geflohen war. Es war ein Gefühl abgrundtiefen Schreckens, der bis in ihr Innerstes reichte.
»Ich lass dich nach G hinunter«, fuhr Wendy fort, als ob sie gar nicht gehört hätte, was die Ältere gesagt hatte. »Das Kabel ist für drei Tonnen bei tausend Fuß freigegeben, du brauchst also keine Angst zu haben, dass es dich nicht aushält. Die Winde hat Markierungen für die verschiedenen Öffnungen. Wenn du dort unten ankommst, musst du zusehen, dass du durch die Öffnung kommst. Du solltest das Kabel an der Spule einhaken und es hin und her schwingen. Ich werde dich von hier oben aus beobachten; wenn ich sehe, dass du das Kabel schwingst, schicke ich die Kinder hinunter. Du wirst dich bemühen müssen, dich beim Hinuntergleiten zu stabilisieren; aber es ist genügend Kabel da, um die Kinder auf halbem Weg festzuhaken, dann kannst du sie von unten aus stabilisieren. Sei vorsichtig und pass auf, dass es dich nicht zur Tür hinauszieht.«
»Das ist doch VERRÜCKT«, rief Shari und trat von dem Schacht zurück.
»Hör zu«, zischte Wendy dicht an ihrem Ohr, packte sie am Arm und schüttelte sie. »Die Posleen haben die Lifts und den größten Teil der Rolltreppen. Nach oben geht kein Weg hinaus; aber wir haben immerhin die Chance , durch die Hydroponik einen Weg nach draußen zu finden. Und nach unten gibt es keinen anderen Weg. Keinen. Anderen. Weg. Und jetzt leg das Geschirr um und mach dich bereit.«
»Den Kindern wird das überhaupt nicht gefallen«, jammerte Shari und nahm das Geschirr, das Wendy ihr reichte, mit weit aufgerissenen Augen entgegen. »Und ich kann Amber nicht hinuntertragen.«
»Ich schicke Amber mit Billy«, meinte Wendy. »Und ich werde sie einfach packen und sie an das verdammte Ding binden. Nein, das wird ihnen nicht gefallen, aber sie haben auch keine große Wahl. Die Tür ist versperrt.«
Shari schüttelte den Kopf, als sie die riesige Schachtöffnung sah, und schnallte sich langsam ihr Geschirr fest. »Und wie wirst du runterkommen?«
»Das … wird ein bisschen kompliziert werden«, gab Wendy zu.
Shari ging an der Wand hinunter, wobei sie sich hartnäckig weigerte, nach unten zu blicken. Einmal hatte sie das getan, und das war schlimm genug gewesen. Der Grund des Schachts war in Dunkelheit gehüllt, aber allein schon die Lichter, die tief unten aus anderen Öffnungen schimmerten, reichten aus, um sie fast zur Bewegungslosigkeit erstarren zu lassen.
Und das wäre nicht gut gewesen; schließlich erforderte es ihre ganze Konzentration, nicht in Schwingungen zu geraten. Je länger das Kabel wurde, desto mehr neigte es dazu, hin und her zu schwingen. Das eine Mal, als sie abgeglitten war und zu schaukeln begonnen hatte, war sie ein paar Mal hintereinander schmerzhaft gegen die Wand geprallt. Und da war sie erst höchstens dreißig Meter tief im Schacht gewesen; sie mochte gar nicht daran denken, wie weit sie ausschwingen würde, wenn sie jetzt noch einmal abglitt.
Das andere Problem, nämlich ihren Abstieg unter Kontrolle zu halten, bestand darin, mit den Füßen nicht den Halt zu verlieren; die Wände des Luftschachts waren mit einer schleimigen Masse bedeckt. Bei einigem Nachdenken verwunderte das nicht; schließlich stammte die Luft im Schacht aus Millionen menschlicher Kehlen. Menschen sondern riesige Mengen an Feuchtigkeit aus ihren Lungen ab, und das an den Wänden abgelagerte Wasser in Verbindung mit dem Staub von abgestorbenen Hautzellen war die perfekte Brutstätte für allen möglichen Schleim. Deshalb war es beinahe unmöglich zu verhindern, dass ihr die Füße »unter« ihr wegglitten. Ihr war klar, dass ein Teil ihrer Aufgabe darin bestand, zu verhindern, dass die Kinder ähnlich hin und her schwankten, wie das bei ihr tendenziell der Fall war, aber mit Schleim würden sie auf alle Fälle bedeckt werden.
Und dass sie in nächster Zeit auf einen Waschautomaten stieß, hielt sie doch für recht unwahrscheinlich.
Vorsichtig trat sie über eine Öffnung hinweg und las die daneben in Schablonenschrift aufgetragene Zahl. Sie befand sich über G und konnte formal gesehen jederzeit Halt machen. Aber in dem Sektor gab es vier Öffnungen, und die optimale war die zweite von unten. Besser noch
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