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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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blieb Isenharts verzweifelter Ausruf ohne Erwiderung.
    Seine Schulter brannte. Er hielt sich den durchbohrten Unterarm, während er auf den Bach zulief, wo die Männer sich auch ohne von Owenbühls Kommando sammelten, ganz so, als habe das Durchwaten des kalten Wassers sie zur Räson gerufen.
    Immer wieder sah Isenhart sich über die Schulter, einmal schwirrte ein Pfeil nah an seinem Ohr vorbei. Er konnte keinen von ihnen mehr ausmachen, Henning nicht und Sophia, von Hainfeld ebenso wenig wie Konrad. Das Herz krampfte sich ihm zusammen bei dem Gedanken, was man Sophia und Konrad antun würde – wenn man sie überhaupt am Leben ließ.
    Er hatte sein Pferd ebenso verloren wie das Schwert, nur mehr die Armbrust, die Walther von Ascisberg vor Ewigkeiten – so erschien es ihm – in den Unterricht mitgebracht hatte, ruhte noch auf seinem Rücken. Ein Pfeil hatte sich in ihr Holz gebohrt und schützte ihn dadurch nicht nur vor einer weiteren Verletzung, sondern mahnte ihn auch zur Eile. Tot oder verkrüppelt wäre er seiner Frau und seinem Schwager keine große Hilfe.
    Sich gegen von Vöhingens Leute zu stellen, hatte im Augenblick keinen Sinn. Während er den Kirbach zu erreichen versuchte, lief ihm das Blut den Arm hinab und tropfte von seinen Fingern rot auf die Wiese, deren Gräser von dem Auf und Ab der beiden Bauernheere niedergetrampelt worden waren.
    Die Männer um Erik von Owenbühl, der nun ebenfalls das gegenüberliegende Ufer erreicht hatte, verschwammen vor Isenharts Augen. Er blinzelte kurz, aber die Unschärfe wollte nicht weichen. Hinzu gesellte sich eine der Situation unangemessene Leichtigkeit. Von einer Art, die die ersten Frühlingstage für gewöhnlich mit sich brachten. Wenn einen die warmen Sonnenstrahlen im Nacken zu kitzeln begannen und sich selbst die Lippen des überzeugtesten Misanthropen zu einem leisen Pfeifen spitzten.
    Um ein Haar hätte Isenhart zu lächeln begonnen. Seine Beine gaben nach, er schlug hart auf, aber er spürte nichts. Nicht einmal Furcht. Ihm wäre es recht gewesen, auf ewig hier liegen zu bleiben, denn ihm war wohl und warm, nur der Arm fühlte sich furchtbar nass an.
    Im Liegen sah er, wie von Owenbühls Männer mit ihm selbst an der Spitze erneut vorstürmten, sie liefen gegen die Brabanzonen.Diesmal musste Isenhart tatsächlich lächeln. Es war aller Ehren wert, sich gegen die Soldritter aus Brabant zu stellen.
    Aber es hatte natürlich keinerlei Sinn.
    Der Geruch des Grases wehte ihm in die Nase. Unsagbar schön. Satt und schön und direkt vor ihm ausgebreitet. Die Farben gewannen an Kraft, die Ränder der Grashalme brachen aus.
    Zuerst drang das Stöhnen an sein Ohr.
    Stöhnen und Schluchzen und Wimmern. Das leise Jammern der Jünglinge, die heute Morgen noch mit verächtlichem Lächeln auf den Lippen der flehenden Mutter den Rücken zugewandt hatten, um sich in der Schlacht Ruhm und Ehre zu verdienen – oder zumindest ein paar Münzen oder Schuhe oder andere Habseligkeiten –, und die nun ihrerseits flehten, man möge ihre Mütter holen, damit sie ihnen Beistand leisteten in der letzten Stunde.
    Er öffnete die Augen. Es war Nacht, und es regnete. Isenhart befand sich bis zur Hüfte unter einem Fell, das man offenbar auf einigen Pfählen befestigt hatte, um den Verletzten einen Schutz zu bieten. Dicht an dicht lagen sie nebeneinander. Einige schliefen tief und fest, sie schnarchten, andere pressten die Atemluft vor Schmerz hinaus.
    »Ich habe drei Katzen zu Tode gequält«, hörte Isenhart eine rasselnde, junge Stimme.
    »Der Herr vergibt dir«, antwortete eine müde, alte Stimme.
    »Und ich habe Unzucht getrieben mit meiner Schwester … mehrmals.«
    »Die Güte des Herrn ist unermesslich. Dir sei vergeben, Christoph von Müllersen«, vernahm Isenhart wieder die Stimme des Alten. Er legte den Kopf beiseite und erspähte im Halbdunkel einen Mann seines Alters, der bleich wie ein Knochen nur wenig Schritte entfernt lag. Neben ihm kniend machte Isenhart einen Priester aus, der sich über ihn beugte.
    Christoph von Müllersen bibberte. Isenhart empfand Mitleid mit ihm. »Und ich habe noch mehr gesündigt«, fuhr jener mit keuchender Stimme fort.
    »Auch das sei dir vergeben«, unterbrach der Geistliche, der die Finger seiner rechten Hand eilig in eine Ledertasche führte. Müllersens Liste seiner Vergehen beanspruchte zu viel Zeit für ihre Aufzählung. Er wäre gestorben, ohne die Letzte Ölung und die geweihte Hostie empfangen zu haben.
    Der Priester zog die

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