Italienische Verführung
doch ich bezweifle, dass sie auf diese Distanz dazu in der Lage wären.“
Er schob das Kinn vor wie eine Bulldogge und ließ dabei seinen etwas schwammigen Hals sehen. „Sie sollten sie nicht unterschätzen, Mylady. Diese Männer sind grobschlächtig und dreist und nur allzu bereit, die Unschuld einer Dame auszunutzen.“
„Was Sie nicht sagen, Mylord.“ Sein beharrliches Festhalten an ihrer Unschuld hätte Diana trösten sollen. Doch sie ertappte sich dabei, dass sie statt Besorgnis nur anmaßende Bevormundung aus seinen Worten heraushörte. Sie musste daran denken, wie viel angenehmer der amüsierte, samtweiche Ton des Fremden in ihren Ohren geklungen hatte. Nichts, was dieser Mann gesagt hatte, war auch nur annähernd so unerfreulich gewesen wie Edwards hartnäckige Vorstellung, sie wäre eine hilflose Närrin.
Nein, er war nicht länger ein Fremder für sie. Sein Name war Anthony. Antonio di Randolfo. Der Name eines gut aussehenden, charmanten Gauners, für den es eine Art kindliches Spiel geworden war, sie zu verfolgen.
Antonio …
Der Kutscher wendete die Kutsche, und das Knirschen und Quietschen der metallbeschlagenen Räder auf dem Pflaster passte zu Dianas zerrissener Seelenstimmung.
„Das war ein schönes Bukett, das Sie Ihrer Ladyschaft übersandt haben, Mylord“, begann Miss Wood, offensichtlich bemüht, die aufkommende Spannung in ihrer kleinen Reisegruppe zu lösen. „Eine sehr ungewöhnliche Zusammenstellung.“
„Blumen, Edward?“ Sein Onkel drehte sich zu ihm und strahlte über das ganze Gesicht. „Ich wusste gar nicht, dass du Ihrer Ladyschaft Blumen geschickt hast!“
„Ja, Mylord, ich kann Ihnen gar nicht genug danken.“ Abwartend lächelte Diana Edward zu. Entweder gestand er jetzt, dass die Blumen nicht von ihm kamen, oder er gab Antonios Geschenk als das seine aus. Er hatte die Wahl zwischen der schwierigen Wahrheit oder der bequemen, selbstsüchtigen Lüge.
Edward erwiderte Dianas Lächeln, und zu ihrer Enttäuschung war ihr sofort klar, welchen Pfad er wählen würde.
„Ich freue mich, dass Ihnen das Bukett gefallen hat, Mylady“, meinte er. „Obwohl die Schönheit der Blumen bei Weitem nicht an Ihre Schönheit heranreicht. Noch können sie auch nur annähernd die Bewunderung ausdrücken, die Sie in mir erwecken.“
Mit einem leichten Nicken nahm Diana sein Kompliment zur Kenntnis und betrachtete dann die Geschäfte und Häuser, an denen sie vorbeifuhren. Wie konnte er etwas behaupten, das gar nicht stimmte? Sich Blumen zum Verdienst anrechnen, die er weder die Fantasie gehabt hätte zusammenzustellen, noch die Aufmerksamkeit, sie ihr zu schicken? Es machte Diana traurig und böse zugleich, dass er zu so etwas Gemeinem fähig war. Sie hatte ihm vertrauen, ja ihn lieben wollen, doch nach alledem verspürte sie weder zu dem einen noch zu dem anderen Lust.
Und sie würde ihn auch wegen des Buketts niemals zur Rede stellen können, denn damit würde sie zugeben, dass es einen anderen Mann gab, dem so viel an ihr lag, dass er ihr Blumen schickte und sich besondere Mühe gegeben hatte, ihr zu gefallen.
Mit einem Glas Rotwein in der Hand stand Anthony auf dem Balkon des Palazzo und lauschte nur mit halbem Ohr der Arie des Sängers, die aus Lucias Salon drang. Er wusste schon gar nicht mehr, welcher der Jungen gerade sang, weil so viele an diesem Abend eine Darbietung bringen wollten.
Mit dem Nachlassen der sommerlichen Hitze kehrten immer mehr Adelige aus ihren Villen in ihre Stadtpaläste zurück. Bald würden die Theater ihre Pforten für die neue Spielzeit öffnen. Die Truppen probierten bereits. Während die großen Rollen schon seit Langem besetzt waren, gab es für einen Neuling immer noch die Möglichkeit, sein Können zunächst auf privaten Musikveranstaltungen zu beweisen, um dann eine kleine Rolle in einer der Inszenierungen zu ergattern. Lucia, die niemals in der Capranica würde singen dürfen, liebte es über alles, Fürsprecherin der aufstrebenden jungen Männer zu sein. Sie umschmeichelte ihre Favoriten und intrigierte gegen die anderen.
Doch Anthony war heute Abend nicht in Stimmung für Lucias Machenschaften. Überhaupt hatte er keine große Lust auf Betriebsamkeit, weswegen er sich auch auf den Balkon zurückgezogen hatte, wo der allgegenwärtige Petersdom, der sich dunkel gegen den sternenübersäten Himmel abhob, seine einzige Gesellschaft war.
Hatten zwei Nächte zuvor, als er Diana Farren küsste, auch so viele Sterne am Himmel gestanden? War der
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