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Jagablut

Jagablut

Titel: Jagablut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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mit
Edelweißmuster und löffelten Müsli aus dickwandigen Keramikschalen. Eine
Wanderkarte bedeckte den halben Tisch. Als die beiden mich bemerkten, hoben sie
gleichzeitig die Köpfe und nickten mir fröhlich zu. Außer uns nahm nur noch ein
alter Mann sein Frühstück ein. Er schien ganz in seine Morgenzeitung vertieft,
sein grauer Haarschopf ragte über den Rand des »Alpbacher Wochenblattes«.
    Die Stubentür schwang auf, und die stämmige Kellnerin erschien. Sie trug
in jeder Hand eine silberfarbene Thermoskanne, die sie auf dem Tisch des
Ehepaares abstellte. Die beiden waren jetzt dabei, ihre Gesichter dick mit
Sonnenschutzcreme einzureiben.
    Die Kellnerin kam zu mir herüber. »Morgen, Frau Doktor. Kaffee oder Tee?
Eier?«
    »Grünen Tee, bitte.« Sie schien noch keine dreißig zu sein. »Fräulein …?«
    »Einfach Wetti, ohne Fräulein«, sagte sie.
    »Ach ja?«
    »Eigentlich Barbara«, erklärte sie. »Aber bei uns sagt man nicht Babsi
oder Bärbel oder so, sondern Wetti, verstehen S’ des?« Ihrer Miene nach zu
urteilen, zweifelte sie ein wenig daran.
    »Natürlich. Also dann grünen Tee, Wetti.«
    »Litschi oder Lemongras?«
    »Äh, Lemongras, bitte.« Dieses Dorfwirtshaus war ja bestens auf die neuen
Gewohnheiten seiner städtischen Gästeschicht eingestellt.
    Während ich auf mein Frühstück wartete, schaute ich aus dem Fenster. Der
Regen hatte aufgehört. Durch den Dunst, der in Wirbeln von einem Gebirgsfluss
unterhalb des Gasthofes aufstieg, konnte ich die Holzbohlen einer Brücke
erkennen, an die sich am anderen Ufer ein Pfad anschloss, der über ein
Wiesenstück führte, ehe er sich im Bergwald verlor. Zwischen Fichten und
Lärchen hingen Nebelschwaden wie Spinnennetze. Die Gipfel der Felswand oberhalb
der Baumgrenze waren mit einem Schneeschleier bedeckt. Am Himmel trieben letzte
Wolken.
    »So, Frau Doktor, da wär Ihr Frühstück«, sagte Wetti neben mir. Sie belud
den Tisch mit Schinken, Käse, Butter, kleinen Glasschüsseln mit Marmelade,
einem randvoll mit Semmeln gefüllten Brotkorb und einer dicken Teekanne. »Wenn S’
noch was brauchen …« Ihr Blick wanderte über meine Figur. »Es wär von
gestern auch noch kalter Schweinsbraten da.«
    »Ich denke, ich werde satt.«
    Der alte Mann am Fenster legte seine Zeitung neben sich auf die Bank,
leerte seine Kaffeetasse und griff nach einem Gehstock, der am Tisch lehnte. Er
stand auf und tappte, auf den Stock gestützt, an meinem Tisch vorbei. Dabei warf
er mir einen flüchtigen Blick zu. Schräg stehende blaue Augen und kleine
Haarbüschel über den Ohren verliehen ihm ein luchsartiges Aussehen.
    »Guten Morgen«, sagte er höflich und verließ die Stube.
    »Servus, Wenghofer«, sagte Wetti. »Wie gesagt, wenn S’ was brauchen,
einfach nur sagen, gell? Dass Sie uns hier nicht vom Fleisch fallen.«
    Das Paar in der Bergsteigerkluft brach auf. Der Mann faltete umständlich
die Wanderkarte zusammen. Seine Frau steckte die beiden Thermoskannen und einen
Stapel bunter Plastikdosen in einen Rucksack, dessen Größe für eine
Himalaja-Expedition ausgereicht hätte. Als die beiden in ihren schweren
Bergschuhen an meinem Tisch vorbeistampften, nickte mir der Mann mit ernster
Miene zu. Sein Gesicht glänzte wie eine Speckschwarte, und seine Lippen waren
mit einer dicken weißen Creme bedeckt.
    »Berg Heil«, sagte er. In seiner Stimme schwangen so viel
Entschlossenheit und Tatkraft, als läge eine Erstbesteigung vor ihm.
    »Einen schönen Tag, die Herrschaften«, sagte Wetti. Sie schenkte mir noch
ein Grübchenlächeln und überließ mich meinem opulenten Frühstück.
     
    Wie dicke, runde Noten auf den Notenlinien hockten ein paar
aufgeplusterte Raben im Geäst der Linde, die ihre fast kahlen Äste in einen
inzwischen stahlblauen Herbsthimmel reckte, als ich vor den Gasthof trat.
Hinter ihnen breiteten sich Weiden und Wiesen aus, über denen noch zarte
Dunstschleier hingen, und in der Ferne konnte ich Alpbach mit seinem Kirchturm
sehen. Die Berge, an deren Hängen versprengte Gehöfte lagen, schienen zum
Greifen nah. Ich stellte mir den schmutziggrauen, mit Abgasen gesättigten
Montagmorgen in Wien und den überfüllten Parkplatz vor dem Allgemeinen
Krankenhaus vor und freute mich über meine Entscheidung für Alpbach. Es fühlte
sich wie Urlaub an.
    »Guten Morgen«, sagte eine sanfte Stimme hinter mir.
    Ich zuckte zusammen und drehte mich rasch um.
    »Oje, jetzt hab ich Sie erschreckt.«
    Vor mir stand die alte Dame, die ich am Vorabend in der

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