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Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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Gerät zum Kriege einschloß. Wäre das Naivität, auch auf diese andauernde Lehraufgabe fiele ich herein mit Vergnügen; es ist aber Hoffnung. Du sprichst es nicht aus, noch aus anderen Gründen als den mecklenburgischen. Vergiß, daß ich anfangs versuchte, dir die Sache Č. S. S. R. auszureden; inzwischen wünschte ich, jene Leute würden sich auf sich besinnen, und sei es, daß du einmal nicht den Wind von vorn bekämst. Vergiß die Wette.
    Es ist versprochen, daß dir das Kind nicht weggenommen wird. Es wird ohnehin nie meins; das bleibt deine Marie.
    Wenn wir einander eines Tages träfen, vielleicht sollten wir dann zusammen sein.
    Ich habe dir dies geschrieben, weil ich wieder einmal in die Scandinavian Airlines gepackt werde, und weil ich es schreiben wollte. Denn darüber sprechen möchte der Endesunterzeichnete nicht. Weder Schnee noch Regen noch Hitze noch die Finsternis der Nacht hält diese Boten ab von der raschen Vollendung ihrer vorgegebenen Gänge, und wenn Herodot noch zu den Stützen der Gesellschaft zählt, müßte der Bote mit diesem Brief am Sonntag gegen acht Uhr abends vor deiner Tür stehen. Im anderen Falle werden wir die Inschrift von der Stirn eures Zentralpostamtes meißeln lassen.
    Sincerely yours. D. E. Ein Kind, das nicht in deiner Klasse war.«

4. März, 1968 Montag
    Wenn wir vier Bürger verurteilen, weil sie andere Auffassungen an den Tag legten als die Sowjetregierung: läßt die Sowjetregierung durch die Pravda sagen: ist das so gerechtfertigt wie die Säuberungen in den dreißiger Jahren. Nun hatten die Tausende Toten von damals nur zwölf Jahre lang wieder einen ehrlichen Namen auch von Staats wegen.
    Manchmal scheint es möglich. Gestern hat sogar die New York Times tschechische Hoffnungen auf langfristige westdeutsche Kredite erwähnt. Der Preis wäre eine »Anerkennung Westdeutschlands«. Da könnte de Rosny es billiger geben.
    Manchmal scheint es nicht möglich.
    Vielleicht hat de Rosny doch nicht die passende Angestellte herausgesucht und war falsch beraten. Nicht nur muß Mrs. Cresspahl neuerdings den Kopf noch mehr in den Nacken legen, um das Glas ihrer Zelle in dem Turm der Bank zu erkennen, und findet selten das richtige Viereck; sie muß auch angehen gegen eine Schüchternheit, die sie von sich nicht erwartet hatte. Oft kommt es vor, daß sie im Fahrstuhl den Knopf für das elfte Stockwerk drückt als fürchte sie sich vor dem höheren, und dann erst die Nummer 16. Dann hält die Kabine gelegentlich an der alten Stelle, die Türen rutschen ausführlich zur Seite weg, und niemand tritt nach draußen, es sei denn ein Unsichtbarer. In den oberen Regionen sind die Fahrstühle spärlicher besetzt, und wenn auch die Fahrgäste deswegen einander nicht genauer betrachten, es bleibt doch die Einbildung davon. Weil die Angestellte Cresspahl zunächst vorzieht, den Blick nach oben zu halten, auf die Anzeigetafeln oberhalb der Türen, fand sie sich überdies väterlich begrüßt von einem Herrn, dessen Gesicht sie nicht erinnerte, Mr. Kennicott II , und er sagte: Haben Sie sich gut eingelebt, Mrs. Cresspahl? Sie sagte, strahlend und hilflos: Besten Dank, Sir.
    Das Lügen geht noch; nicht was der Personalchef Einleben nennt. Es fängt an mit der aufwendigeren Herrichtung der Korridore. Hier liegen Teppiche, die Neonstäbe sind nicht einfach mit Glas abgedeckt sondern mit teuer gemusterten Plastikkästen, und sie beleuchten nicht nackte Wände, sondern Druckgrafik in Galerierahmung. Unten, bei Foreign Sales, waren das Türen aus grünlich gestrichenem Stahl gewesen; hier sind mächtige Mahagonikloben an kindskopfgroßen Messingklumpen zu bewegen. Unten war es manchmal abgegangen ohne das große Probelächeln am Empfang der Abteilung; hier sitzt Mrs. Lazar, und läßt sich vertreten, wenn sie die Stellung räumt. Hier kommt ein Besucher ohne Kontrolle nicht durch, anders als unten, wo weniger zu verstecken war. Mrs. Lazar, eine ältere Dame mit dem Betragen einer Rektorin, sieht die Neue unveränderlich streng und aufmunternd an, und mit dem Bieten der Tageszeit kommt das weit aufgefaltete Lächeln, als werde ihr mit der Erkundigung nach dem Ergehen ein tägliches Geburtstagsgeschenk überreicht. Von ihr geht die Angestellte Cresspahl rasch an den kostbaren Schreibtischen in der weiträumigen, salonähnlichen Halle vorbei, als wolle sie niemanden stören; sie will aber Begegnungen vermeiden.
    Es ist nicht Angst vor der neuen Abteilung; sie entbehrt, daß sie ihre Beziehungen

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