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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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still.
    Ich weiß nicht, wie, aber irgendwie gelang es Marthe Brown, mir zuzunicken und leicht zu knicksen.
    »Hallo, Dr. Delaware«, sagte sie mit freundlicher Stimme. Sie klapperte mit den Wimpern, das Gesicht voller Spuren von Mastix und falschen Haaren. »Wie schön, Sie wiederzusehen.«

29
    Milo pellte sich noch eine Kartoffel, wälzte sie in Butter und aß sie auf. Er hatte bereits ein Hammelfilet verspeist, und drei weitere lagen auf seinem Teller. Ich aß ein Stück Filet mignon und spülte es mit einem Schluck Bier herunter.
    Es war nach halb elf, und wir waren an diesem Abend die letzten Gäste im Grillrestaurant. Die Bar nebenan war allerdings voller Leute, und das Gemisch vieler Stimmen drang zu uns herüber.
    »William Tull Bonney«, sagte Milo und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. »Wie bei Billy the Kid. Er behauptet, er stamme direkt von ihm ab. Antrim nennt er sich, weil so Billys Stiefvater hieß.«
    Er blickte auf den spärlichen Rest seines Gin Tonic, überlegte, ob er einen neuen bestellen sollte, dann aber wandte er sich seinem Wasserglas zu und leerte es in einem Zug. Dann zog er ein Blatt Papier aus der Brusttasche, entfaltete es, lehnte sich nach vorne, blinzelte mit den Augen und begann, im schwachen Schein der Kerze zu lesen.
    »Nachdem wir seine Identität herausgefunden hatten und seine Akte im Computer abriefen, spuckte der Unmengen von Informationen aus. Das hier ist nur eine Zusammenfassung, die übliche amerikanische Erfolgsstory. Geboren in Mesilla, New Mexico. Mutter Säuferin, Vater unbekannt. Nichtstuer vom ersten Tag an, mit elf Jahren häufig betrunken und erste Diebstähle. Ganz schön frühreif, was? Vandalismus, Brandstiftung, eine ganze Serie von Überfällen und schwerem Raub. Jede Menge Vergewaltigungen, deren er verdächtigt wird, und wenigstens ein Mord, und zwar an einer Indianerin, die er mit dem Messer verstümmelte. Man konnte ihm den Mord nicht nachweisen, aber alle wussten, dass er der Täter war. Da war er sechzehn. Bis er achtzehn wurde, kam er in eine Erziehungsanstalt. Dann war er ein Jahr in Freiheit, kam nach Kalifornien, wurde schon nach einem Monat wegen versuchten Mordes festgenommen - es passierte bei einer Messerstecherei - und verbrachte ein Jahr im Knast. Er bekam Haftverlängerung, weil er einen Wärter angegriffen und sich außerdem einige unangenehme Angewohnheiten zugelegt hatte. Danach kam er in ein Resozialisierungsprogramm, lernte KFZ-Mechaniker und bekam auch einen Job, den er aber wieder verlor, weil er seinen Chef verprügelte. Er wurde wieder festgenommen wegen bewaffneter Raubüberfälle. Im Gefängnis besuchte er die Schule, wurde Mitglied in einem esoterischen Club und ließ sich mit Alltagsphilosophie füttern. Nach seiner Entlassung trieb er sich in der Umgebung von Fresno mit einer Gang herum, die sich ›the Ghouls‹ nannte, wurde wieder festgenommen wegen Beihilfe zum Mord in einer Messerstecherei während eines Bandenkriegs. Er kam aus der Sache ohne Strafe raus, weil sein Anwalt den Prozess gewann. Dieser Anwalt war niemand anderer als Horace Souza, Esquire.«
    Er reichte mir das Blatt.
    »Und jetzt zu Marthe Brown alias Wilhelmina Surtees, alias Billy Mae Sorrell, alias Martha Sorrel, alias Sabrina Skull.«
    »Sabrina Skull?«
    »Ganz genau. Das war ihr Gang-Name. Sie gehörte auch zu den Ghouls. Ihr Werdegang ist dem von Antrim nicht unähnlich. Drogen, Alkohol, Tierquälerei. Sie kam in Therapie, und so blieb ihr der Knast erspart. Einmal wurde sie wegen ungebührlichen Benehmens festgenommen, aber das Verfahren wurde eingestellt. Ich habe deshalb etwas über sie herausgefunden, weil die Polizei in Fresno eine Akte über die Ghouls führt. Sie spielte eine zentrale Rolle in dem Verein, besonders tat sie sich durch wiederholte Körperverletzung hervor.«
    »Ist sie wirklich Krankenschwester?«
    »Ja. Das heißt, sie kam eher zufällig an ihr Diplom, nachdem sie an einem Schnellkurs teilgenommen hatte. Wenn sie nicht mit den Ghouls unterwegs war, arbeitete sie in verschiedenen Altersheimen. An ihrer letzten Stelle verdächtigte man sie des Drogendiebstahls, aber sie wurde nicht angezeigt. Bald darauf verschwand sie. Sie lebte mit Antrim zusammen in einer Hütte draußen in Tujunga, in einem Waldstück, das Souza gehört. Vögel, Bienen, Wasserstelle vor der Tür, ein tragbarer Fernseher und noch anderer Krempel. Ich hab mir den Ort heute Morgen angesehen, in einer Ecke steht ein Schrank aus Sperrholz, links voller

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