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Jenseits Der Schatten

Titel: Jenseits Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Gesicht hättet wählen können? Und Ihr habt dieses abscheuliche, hässliche Durzo-Blint-Gesicht gewählt?«
    »Das ist mein richtiges Gesicht«, sagte Durzo gekränkt.

    Das Blut schoss Kylar in die Wangen. »Oh, bei dem Gott, das tut mir leid.«
    »Wie dem auch sei, es dauert seine Zeit, den Übergang zu vollziehen, vor allem wenn man es zum ersten Mal macht.«
    »Könnt Ihr eigentlich jedes Aussehen annehmen? Könntet Ihr auch ein Mädchen sein?«
    »Ich will von deinen kranken Fantasien nichts hören«, sagte Durzo grinsend.
    »He!«
    »Ich war nie ein Mädchen oder ein Tier.«
    »Also, warum verändert Ihr Euch jetzt? Und wozu verändert Ihr Euch?«
    »Ich werde aussehen wie ein fünfzig Jahre alter, ziemlich freundlicher waeddrynischer Graf, der über ein kleines magisches Talent zu verfügen scheint, das er nie angezapft hat. Denn der Grund, warum ich die Frau, die ich liebe, zurücklasse und mit dir in die Chantry gehe - nicht mein Lieblingsort -, ist der, dass ich meine Tochter kennenlernen will. Tatsächlich wäre ich dir dankbar für deine Hilfe, die Tarnung richtig hinzubekommen. Ich möchte nicht, dass sie mich ansieht und sagt: ›Oh, ich habe seine Augen.‹«
    Aber das interessierte Kylar im Augenblick nicht. Er hielt inne. »Meister? Was bedeutet das? Der Wolf hat mich namenlos genannt. Wenn ich lerne zu tun, was Ihr tut, werde ich auch gesichtslos sein. Wenn wir jeder sein können, wer sind wir dann?«
    Durzo feixte, und selbst in einem anderen Gesicht war dieses erheiterte Feixen durch und durch Durzo Blint. »Der Wolf weiß nicht, was zur Hölle er redet. Ich hatte einmal die Illusion, dass jedes neue Leben, das ich begann, wirklich neu sei. Unsere Gabe gibt uns nicht allzu viel Freiheit. Wir sind Nachtengel, Mitglieder eines Ordens, der schon uralt war, als ich ihm beitrat. Was es
bedeutet, Nachtengel zu sein, ist eine schwierigere Frage. Warum sehen wir die Coranti ?« Als er Kylars fragenden Blick auffing, fuhr Durzo fort: »Die Unreinen. Und sie zu sehen ist nicht zwingend, es hängt von unserer Empfindlichkeit ab. Es gab mal eine Zeit, da konnte ich eine Lüge sehen, aber in dem Jahr, bevor der Schwarze mich verließ, konnte ich kaum einen Mord sehen. Was bedeutet das? Warum bin ich auserwählt worden?
    Jorsin hatte manchmal die Gabe der Prophezeiung. Er erklärte mir, dass ich den Schwarzen nehmen müsse. ›Die gesamte Geschichte liegt in deinen Händen, mein Freund‹, sagte er zu mir. Ich glaubte ihm. Ich wäre für diesen Mann durch eine Wand aus Feuer gegangen. Aber hundert Jahre später waren all meine Freunde tot, die Welt war in ein dunkles Zeitalter gesunken, und niemand verfolgte mich auch nur. Vielleicht bestand mein großartiger Platz in der Geschichte, mein ganzer Daseinszweck darin, den Ka’kari siebenhundert Jahre lang sicher aufzubewahren, bis ich ihn dir geben konnte. Du wirst mir verzeihen, wenn das nicht ganz zufriedenstellend wirkt. Stell dir vor, eine Armee aufzustellen: ›Kommt, Männer! Tun wir uns zusammen und … warten!‹ Aber andererseits, wenn die Wirklichkeit hart, seicht und ungerecht ist, dann ist es besser, sich an das anzupassen, was wirklich ist , statt sich zu beklagen, dass er nicht so ist, wie man es gern hätte. Das war es, was dazu führte, dass ich das Vertrauen in Prophezeiungen verlor, in einen Daseinszweck, in das Leben selbst, schätze ich. Aber nachdem ich dieses Zutrauen verloren hatte, zweifelte ich bald an meinem Mangel an Vertrauen. Überall waren quälende Hinweise auf Bedeutung. Unterm Strich wählst du, was du glaubst, und lebst mit den Konsequenzen.«
    »Also, das ist es?«
    »Das ist was?«
    »›Wähle, was du glaubst, und lebe mit den Konsequenzen‹
ist alles, was Ihr nach siebenhundert Jahren gelernt habt? Wir sind unsterblich, und mehr könnt Ihr mir über das Warum nicht sagen?«
    Durzo bewegte sich schneller, als Kylar das in Erinnerung hatte, und ließ die Hand vorschnellen. Sein Schlag traf Kylar an der Wange und am Kinn. Er machte ihn benommen. Ein Schlag mit dem Handrücken tat der Person, die ihn führte, beinahe genauso weh wie der Person, die den Schlag abbekam, also gab es nur einen Grund, warum Durzo einen solchen Schlag wählen würde: wegen der ihm innewohnenden Verachtung.
    Schweigend standen sie da und sahen einander an. Gemischt mit Durzos Frustration konnte Kylar Bedauern sehen, aber Durzo entschuldigte sich nicht. Die Fähigkeit sich zu entschuldigen hatte Acaelus Thorne in sieben Jahrhunderten nicht

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