Jenseits des Bösen
das Thema wechselte.
»Du hast schon immer ein Auge für verborgene Zusammen-hänge gehabt. Wenn der Jaff seinen Zug macht, wie unauffällig auch immer, wirst du es merken. Hast du übrigens gestern nacht Ellen gesehen? Sie war mit ihrem Jungen in der Menge.
Du könntest damit anfangen, sie zu fragen, wie sie sich am Morgen danach fühlt...«
Nicht, daß Grillos Angst um ihre Sicherheit unbegründet gewesen wäre; und selbstverständlich hätte sie seine Gesellschaft während der vor ihr liegenden Reise gerne gehabt. Aber aus Gründen, die sie nicht behutsam ausführen konnte und die sie deshalb gar nicht ausführte, wäre seine Anwesenheit eine Störung, die sie nicht riskieren durfte, weder für ihn noch für die Aufgabe, die sie zu erledigen hatte. Es war eine der letzten Taten Fletchers gewesen, sie auszuerwählen, zur Mission zu gehen; er hatte sogar angedeutet, daß es irgendwie
vorherbestimmt gewesen war. Vor nicht allzu langer Zeit hätte sie über diesen Mystizismus gelächelt; aber nach der
vergangenen Nacht war sie gezwungenermaßen
unvoreingenommener. Die Welt der Geheimnisse, über die sie sich in ihren Spuk- und Raumschiff-Drehbüchern lustig gemacht hatte, ließ sich nicht so ohne weiteres verspotten. Sie hatte nach ihr gesucht, sie gefunden und sie - mitsamt ihrem Zynismus und allem - in ihre Himmel und ihre Höllen gestürzt.
Letztere in Gestalt der Armeen des Jaff; die Präsenz der ersteren in Fletchers Verwandlung: Fleisch zu Licht.
Mit der Aufgabe betreut, Agentin des toten Mannes auf Erden zu sein, empfand sie eine seltsame Entspannung, trotz 351
der Gefahren, die vor ihr lagen. Sie mußte ihren Zynismus nicht mehr hegen und pflegen, mußte ihre Fantasiegebilde nicht mehr von Augenblick zu Augenblick in das Wirkliche -
Solide, Greifbare - und das Fantastische - Nebulöse, Wertlose -
unterteilen. Wenn (falls) sie wieder an ihre Schreibmaschine kam, würde sie ihre spöttischen Drehbücher völlig neu schreiben und sie mit Glauben an die Geschichte erzählen, nicht weil jede Fantasie absolut wahr war, sondern weil es keine absolute Wirklichkeit gab.
Sie verließ den Grove am Vormittag und wählte eine Route, die sie am Einkaufszentrum vorbei aus der Stadt führte, wo der Status quo bereits wieder aufgebaut war. Wenn sie sich sputete, konnte sie die Grenze bei Einbruch der Nacht hinter sich gelassen haben; und die Misión de Santa Catrina - oder die leere Stelle, wo sie gestanden hatte, falls Fletchers Hoffnung begründet war - konnte sie noch vor Einbruch der Dämmerung erreichen.
Auf Geheiß seines Vaters hatte sich Tommy-Ray vergangene Nacht, lange nachdem sich die Menge verzogen hatte, wieder zum Einkaufszentrum zurückgeschlichen. Inzwischen war die Polizei eingetroffen, aber er hatte keine Schwierigkeiten gehabt, sein Ziel zu erreichen, und das war, das Terata zurückzubringen, das er mit eigenen Händen auf Katz' Rücken gesetzt hatte. Der Jaff wollte die Kreatur nicht nur
wiederhaben, damit die Polizei sie nicht fand. Sie war noch nicht tot, und wenn sie sich in den Händen ihres Schöpfers befand, konnte sie alles wiedergeben, was sie gesehen und gehört hatte, indem der Jaff die Finger wie ein Wunderheiler auf die Bestie legte und den Bericht aus dem Stoffwechsel des Terata zog.
Als er gehört hatte, was er hören wollte, tötete er den Überbringer der Nachricht.
»Schau, schau...«, sagte er zu Tommy-Ray, »... sieht so aus, 352
als müßtest du die Reise, von der ich dir erzählt habe, früher als geplant antreten.«
»Was ist mit Jo-Beth? Katz, dieser Dreckskerl, hat sie.«
»Wir haben gestern nacht schon genügend Anstrengung ver-plempert, als wir sie überzeugen wollten, sich zu unserer Familie zu gesellen. Sie hat uns abgewiesen. Wir vergeuden keine Zeit mehr. Soll sie selbst sehen, wie sie in dem Mahlstrom zurechtkommt.«
»Aber...«
»Schluß damit«, sagte der Jaff. »Deine Besessenheit ist wirklich lächerlich. Und sei nicht mürrisch! Man war dir gegenüber viel zu lange nachgiebig. Du glaubst, mit deinem Lächeln bekommst du alles, was du willst. Nun, sie wirst du nicht bekommen.«
»Du irrst dich. Und ich beweise es dir.«
»Jetzt nicht. Du mußt eine Reise antreten.«
»Zuerst Jo-Beth«, sagte Tommy-Ray und wandte sich von seinem Vater ab. Aber der Jaff legte ihm die Hand auf die Schulter, bevor er einen Schritt weit gekommen war. Tommy-Ray kreischte unter der Berührung.
»Verdammt, sei still!
»Du tust mir weh!«
»Das ist meine
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